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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Handgelenk umfaßte und im nämlichen Atem mein ›Juan‹ flüsterte.
    ›Alonzo‹ – gab jener zurück und war im nächsten Moment an mir vorbei.
    Den folgenden Abend war ich wieder im Kreuzgang. Ich kann nicht sagen, daß mein Schreiten von natürlichem Gleichmaß war, – weit eher glich es, dessen bin ich sicher, der künstlichen Regelmäßigkeit eines Automaten. Abermals berührte dieselbe Person meine Kutte und flüsterte Juans Namen. Nunmehr durfte ich nicht länger« zögern, und so sagte ich im Weiterschreiten: ›Ich bin in deiner Hand.‹
    Heiser und widerwillig tönte es zurück: ›Mitnichten, ich bin in der deinen.‹
    ›Nun denn, so meinst du, wir sind aufeinander angewiesen?‹
    ›So ist es. Wir dürfen hier nicht miteinander reden, doch bietet sich uns eine günstige Gelegenheit, weil schon morgen der Vorabend des Pfingstfestes ist. Die Vigilie wird von der gesamten Bruderschaft begangen, indem alle Stunden jeweils zwei Brüder den Altar besuchen, dortselbst eine Stunde im Gebet verharren, um danach von zwei weiteren Brüdern abgelöst zu werden, und so die ganze Nacht. Nun hast du der Bruderschaft solche Abneigung eingeflößt, daß alle, ein jeder für sich, es abgelehnt haben, mit dir gemeinsam jene Stunde zu verbringen, welche man für dich auf die Zeit zwischen zwei und drei Uhr festgesetzt hat. Du wirst deshalb allein in der Kirche sein, und ich werde dich während dieser Stunde aufsuchen. So wird uns niemand stören noch verdächtigen können.‹
    Dies gesagt, ließ er mich allein. In der Nacht auf den Pfingstsonntag gingen die Mönche paarweise zum Altar. Um zwei Uhr morgens war die Reihe an mir. Sie klopften an meiner Zelle, und ich begab mich allein in die Kirche hinunter.«

ACHTES KAPITEL
    Ihr Mönche und Nonnen im ganzen Land,
    Die nachts ihr und paarweis ’ zur Andacht geht,
    Oh laßt von den Glockensträngen die Hand,
    Erhebet euch nimmer aus eurem Gebet.
    Colman

     
    »Ich bin nicht abergläubisch, doch als ich die Kirche betrat, durchlief’s mir den Leib und die Seele mit unaussprechlicher Kälte. Ich ging bis zum Altar vor und wollte mich vor demselben auf die Knie werden – doch wie mit unsichtbarem Griff wurde ich daran gehindert. Es war, als riefe eine Stimme aus den Altarnischen mir zu und fragte mich nach dem Begehr, welches mich hierher getrieben? Da dachte ich daran, wie jene, welche diesen Platz soeben verlassen hatten, in ihrer Andacht versunken gewesen waren, und wie auch die beiden anderen, welche mich abzulösen kämen, dies zum Zweck der Huldigung tun würden. Ich hingegen hatte die Kirche bloß um der Verstellung, der Täuschung willen aufgesucht und mißbrauchte nunmehr die Stunde, welche der Andacht zu meinem Gott vorbehalten war, um auf Mittel und Wege zu sinnen, ihr zu entkommen. So wagte ich nicht aufzusehen, noch auch etwas zu sagen, und schon gar nicht, zu beten, damit ich nicht einen Gedanken laut werden ließe, auf den ich keinen Segen herabflehen konnte. Auf diese Weise ein Geheimnis zu bewahren, welches dennoch offen vor Gott liegt, ist so vergeblich wie ruchlos.
    Indes, ich befand mich noch nicht lange in diesem aufgewühlten Zustand, da vernahm ich Schritte, welche sich mir näherten. – Es war der, den ich erwartet hatte. ›Steh auf, so sagte er zu mir, da ich noch immer auf den Knien lag, ›steh auf, wir dürfen keine Zeit verlieren. Länger als eine Stunde kannst du nicht in der Kirche bleiben, und ich habe dir viel zu sagen.‹ So erhob ich mich denn. ›Deine Flucht ist auf die morgige Nacht festgesetzt.‹
    ›Auf die morgige Nacht – du gütiger Himmel!‹
    ›Jawohl. Bei so verzweifelten Schritten liegt die Gefahr stets mehr im Hinausschieben als in der Überstürzung. Schon sind tausend Augen- und Ohrenpaare auf dich geheftet, – eine einzige unüberlegte oder verdächtige Bewegung würde es unmöglich machen, der einmal geweckten Aufmerksamkeit zu entrinnen. Es mag zwar seine Gefahren haben, die Dinge dergestalt zu beschleunigen, doch ist dies unvermeidlich. Morgen nacht, sobald es die zwölfte Stunde schlägt, mußt du in die Kirche herunterkommen. Es ist anzunehmen, daß niemand hier sein wird. Sollte dennoch einer (aus Gewissensgründen oder um einer Buße willen) hier verweilen, so zieh dich zurück, um keinen Verdacht zu erwecken. Komm wieder, sobald die Luft rein ist, ich werde da sein. Siehst du jene Tür?‹ Und er wies auf einen tiefer gelegenen Eingang, welchen ich zwar schon oft bemerkt hatte, doch niemals in geöffnetem

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