Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
Vom Netzwerk:
ihren Biß so scharf, wie das geweihte Wasser ihn gemacht hat!‹
    Ein zweites Auflachen, das aus der Brust eines veritablen Teufels zu kommen schien, besiegelte diesen Ausspruch. ›Ich weiß, ich stehe ganz in deiner Macht‹, gab ich auf seine Drohung zurück. ›Und wäre es die Macht allein, ja bloß dein Herz, in das ich mein Vertrauen setzen müßte, so wäre es mir lieber, jetzt und auf der Stelle mir den Kopf an der Mauer einzurennen, die auch nicht härter sein kann als dein Herz, und mein Gehirn am Stein zu verspritzen!‹
    Während ich diese Worte hervorstieß, Senor, verspürte ich jenes fürchterliche Vertrauen in die Feindschaft , zu welchem sich die verworfensten Wesen in den schlimmsten Umständen getrieben sehen, und ich frage mich, ob es eine noch entsetzlichere Lage gibt als jene, da wir uns gegenseitig an des andern Haß, statt an des andern Liebe aufrichten, – an einem Haß, in welchem wir bei jedem weiteren Schritt den Dolch an unseres Gefährten Rippen halten, wobei wir ihn mit den Worten bedrohen: ›Beim ersten Straucheln fährt es dir ins Herz! Ich hasse, fürchte dich, und muß es mit dir tragen!‹
    ›Nun, beide wurden bis hierher geführt‹, so setzte er schließlich fort. ›Ich hatte diesen Plan ausgeheckt, und der Pater Superior hatte seine Zustimmung erteilt. So wurde ich ihnen also zum Führer auf ihrer (vermeintlichen) Flucht. Und obschon ich einen Plan dieser unterirdischen Region bei mir trug, rann mir doch das Blut bei jedem Schritt von deren Durchquerung kälter durch die Adern. Die Bestimmung aber, der ich meine Schutzbefohlenen da zuführte, war nichts weniger denn dazu angetan, mir dies Blut wieder zu erwärmen. Ich nötigte die beiden, dieses Gewölbe, darin wir uns jetzt aufhalten, zu betreten (die Tür war damals noch unversehrt), wonach ich vorgab, den weiteren Verlauf des Ganges ausfindig machen zu wollen. Sobald sie in der Falle sich umhalsten, schlug ich die Tür zu und versperrte sie. Doch dies ängstigte sie nicht, weil sie doch an meine Freundschaft glaubten. Ich aber lief spornstreichs zu dem Pater Superior, der über die Schmach noch immer wutentbrannt war. So stieg er mit mir in die Gruft hinab, gefolgt von Mönchen, deren Augen blitzten, und die vom Zorn so sehr geblendet waren, daß sie die Tür zunächst gar nicht gewahrten, wie oft ich auch vor ihnen darauf wies.
    Der Pater Superior trieb eigenhändig die Nägel, welche ihm voll frommem Eifer die Mönche reichten, in das Holz der Tür, auf daß dieselbe nimmermehr sich öffne . Beim Klang der ersten Schritte auf dem Gang, der ersten Hammerschläge an die Tür, ertönte drinnen ein Entsetzensschrei. Die Opfer sahen sich entdeckt und glaubten, die Schar der wutentbrannten Klosterbrüder sei drauf und dran, mit ihren Hammerschlägen den Schutz und Schirm der Tür nun zu zertrümmern. Doch wurde dies Entsetzen nur zu bald von einem anderen, schlimmeren abgelöst, dieweil sie uns enteilen hörten und nunmehr erkennen mußten, daß jene Hammerschläge nicht der Tür, sondern den Nägeln gegolten hatten! So tönte uns ein zweiter Aufschrei nach – doch oh, um wieviel schauriger er hallte! – Sie wußten jetzt, wozu wir sie verdammt hatten.
    Es war meine Buße, die Tür aus dem vorgeblichen Grund zu bewachen, eine mögliche Entweichung (von deren Unmöglichkeit jedermann überzeugt war) zu verhindern. So pflanzte ich mich denn vor jene Tür – jene Tür , die da, gleich Dantes Höllenpforte, auch deren Inschrift hätte tragen können: »Laßt, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren!« – und tat’s mit einer falschen Büßermiene, jedoch mit echtem, herzlichem Behagen.
    Gegen Abend erschien ein Mönch, um mich abzulösen und mir das Essen zu bringen. Ich aber mochte meinen Platz um nichts in der Welt aufgeben, redete indes den Mönch in seiner eigenen Sprache an, indem ich sagte, ich wollte ein Gott wohlgefälliges Opfer bringen und sei entschlossen, auch die ganze Nacht hier zu verbringen, falls der Pater Superior dem zustimme. Der Mönch war ebenso froh, auf so billige Weise zu einem Stellvertreter zu kommen, wie ich über das Essen, welches er mir dagelassen hatte, denn ich war hungrig geworden. Den Appetit meiner Seele freilich sparte ich mir für größere Schwelgereien auf. So lauschte ich denn auf alles, was die beiden da drinnen redeten. Und während ich mein Abendessen zu mir nahm, stillte ich meinen Hunger recht eigentlich an jenem, welcher sie verzehrte, den sie aber mit keinem Worte voreinander

Weitere Kostenlose Bücher