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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Beerdigung hinaus. Da wir sie ans Licht gebracht hatten, gemahnte mich das lange Haar des Weibes, nun nicht mehr vom Novizenkleid verborgen, an ein Gesicht, das ich zu kennen meinte. Und da ich schärfer darauf niedersah, erkannte ich in ihm die eigene Schwester – die Schwester, welche meine, einzige war –, und hatte zugehört, wie ihre Stimme stets schwächer wurde, schwächer, immer schwächer. – Und hatte zugehört ...‹ Auch seine eigene wurde schwächer – schwächer – und erstarb.
    Um ein Leben zitternd, an welches das meine gekettet war, stolperte ich zu meinem Gefährten hinüber. Ich faßte ihn unter und richtete ihn zur Hälfte auf. Dabei fiel mir ein, daß unter der Falltür die Luft ein wenig frischer sein mochte, und so versuchte ich ihn dorthin zu schleppen. Es war Abend geworden, und so war es nicht länger nötig, abzuwarten. Mein Gefährte erholte sich bald, da seine Ohnmacht nicht von seiner seelischen Erschöpfung, sondern bloß von seiner körperlichen Entkräftung herrührte. Doch wie dem auch gewesen sein mag, es war für mich sehr fesselnd, diesem Erwachen zuzusehen. Ohne der eben erzählten Geschichte und seiner durch sie ausgelösten Gefühle auch nur im geringsten Erwähnung zu tun, richtete er sich aus meinen Armen auf, sobald er der Dämmerung da draußen ansichtig wurde und begann, unsere Flucht durch jene Falltür mit solcher Kraft und Umsicht ins Werk zu setzen, daß man dies, wäre es in einem Kloster geschehen, für ein Wunder gehalten hätte. Mit unglaublicher Gewandtheit erkletterte mein Gefährte die Mauer, wobei er sich der kantigen Steine und meiner Schultern als Hilfe bediente, – stieß die Falltür auf, rief herunter, daß die Luft rein sei, und so stand ich, nachdem er mir hinaufgeholfen, alsbald neben ihm und sog, schwer atmend vor Entzücken, wieder die frische Luft in mich ein.
    Die Finsternis war vollkommen. Ich konnte die Bäume nur von den Gebäuden unterscheiden, sobald ein leichter Lufthauch die Baumkronen bewegte. Wir durchquerten den Garten, ohne des Bodens unter unseren Füßen recht gewahr zu werden. Als wir uns der Gartenmauer näherten, wurde mir speiübel, es schwindelte mir, und ich schwankte. ›Ist dort nicht Licht in den Fenstern des Klosters?‹ flüsterte ich meinem Gefährten zu.
    ›Mitnichten, dies Licht tanzt dir nur vor deinen Augen – es ist bloß eine Folge der Dunkelheit, des Hungers und der Angst –, so komm schon.‹
    ›Aber ich höre doch das Läuten der Glocken.‹
    ›Die Glocken läuten bloß in deinen Ohren – dein leerer Magen zieht an ihrem Strang, und schon glaubst du, es läuten zu hören. Was willst du jetzt noch Zeit verlieren? – komm schon, komm weiter und häng dich nicht so schwer an meinen Arm –, und fall nicht, reiß dich doch zusammen. Mein Gott, er fällt in Ohnmacht!‹
    Das war das letzte, was ich hörte. Ich glaube, daß ich ihm in die Arme gesunken bin. Er aber trug mich aus einem inneren Antrieb, welcher sich zum größten Glück stets dann einstellt, wenn das Denken wie das Fühlen uns verlassen haben, auf seinen sehnigen Armen zu der Mauer und krümmte mir die kalten Finger um die Seile der Strickleiter. Diese Bewegung brachte mich augenblicks wieder zu Sinnen, so daß meine Füße, fast noch ehe meine Hände die Leiter berührt hatten, dieselbe zu erklettern begannen. Mein Kompagnon folgte mir sogleich. Wir erreichten die Mauerkrone – ich schwankte vor Schwäche und Furcht wie ein Rohr im Wind. Doch schon im nächsten Augenblick sah ich das Licht einer Laterne aufblitzen und gewahrte unter mir eine dunkle Gestalt: ohne mich zu besinnen, sprang ich hinab – es galt mir gleich, ob ich nun in den Dolchstoß eines Meuchelmörders liefe, oder meinem Bruder in die Arme sänke.
    ›Alonzo, teuerster Alonzo‹, raunte eine Stimme.
    Juan, teuerster Juan!‹ Mehr brachte ich nicht über die Lippen, als ich meine bebende Brust an jene des großmütigsten und liebevollsten aller Brüder preßte.
    ›Was mußt du nicht alles durchgemacht haben – und was hab’ ich nicht alles durchgemacht‹, flüsterte er. ›Während der letzten vierundzwanzig Stunden war ich schon nahe daran, dich aufzugeben. Doch jetzt tut Eile not, der Wagen wartet, es sind kaum zwanzig Schritte bis zu ihm!‹
    So eilten wir denn vorwärts. Es war ein öder Platz, welchen wir überquerten, – ich konnte den Wagen bloß an dessen schwacher Laterne erkennen, doch das genügte mir. Ich schwang mich ohne Schwierigkeit hinein.
    › Er ist

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