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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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mit Fieberphantasien hinzubringen, die einer ausstößt, der den eignen ... So schau doch nicht mit solchem Hohn auf mich! Ich weiß ja alles, weiß es nur zu gut, dein Anblick macht mich schaudern! Und wäre nicht dies eiserne Gebot, das meine Not mir aufzwingt – nicht einen Atem lang hätt› ich mich dir verbündet! Nun bin ich’s dennoch, – und muß es wohl ertragen, solange dieses Bündnis währt – nur mach mir seine Bürde nicht noch schwerer, sonst müßt’ ich unter ihr zusammenbrechen!‹ Da ich dies rief, erdröhnte mir die Stimme, die eigene, wie Donner in den Ohren, und aus den Augen blitzte mir’s, daß ich’s zu sehn vermeinte. Mit einem Male ward ich mir der Kraft, die uns die Leidenschaft verleiht, bewußt, und meinem Kompagnon erging’s nicht anders. So fuhr ich fort, in einem Ton zu drohen, der noch mich selber zum Erschaudern brachte: ›Und wagst du’s dennoch, wieder einzuschlafen – verlaß dich drauf, ich werd’ dich auferwecken, Und wär’s der leiseste, der flachste Schlummer, kein Atemzug davon sei dir vergönnt, – denn du sollst mit mir wachen! Den ganzen Tag lang müssen wir gemeinsam die Qual des Hungers und der Kälte leiden, das ist mein unumstößlicher Entschluß. Denn alles was du willst, kann ich ertragen, nur nicht die Schreie eines Vatermörders, durch dessen Traum das tote Opfer spukt! So wache denn mit mir und rase, fluche, tu, was du willst – nur schlafen sollst du nicht!‹ Mein Gefährte starrte mich eine Zeitlang nahezu ungläubig an, weil er mich solcher Intensität der Leidenschaft, solchen Befehlstones nicht für fähig gehalten hatte. Nachdem er aber begriffen hatte, mit aufgerissenem Blick und staunend geöffnetem Mund, wechselte er unvermittelt den Ausdruck. Zum erstenmal schien er etwas wie eine Wesensverwandtschaft mit mir zu empfinden. Alles, was seiner Grausamkeit auch nur irgendwie gleichkam, schien ihm ja so vertraut wie tröstlich. So verschwor er sich denn vor mir mit Worten, welche mir das Blut stocken machten, daß er mich um meiner Entschlossenheit willen nur um so höher einschätze. ›So will ich denn mit dir wachen‹, fügte er unter so fürchterlichem Gähnen hinzu, daß man hätte meinen mögen, irgendein gräßlicher Oger öffnete die Kinnladen zu seinem kannibalischen Schmaus. Nachdem er sich dergestalt entspannt hatte, frug er: ›Wie aber bringen wir es fertig, wach zu bleiben? Wir haben nichts zu fressen noch zu saufen – was also bleibt uns zu tun, um wach zu bleiben? Nach diesen Worten stieß er plötzlich einen wahren Rosenkranz von Flüchen und Verwünschungen hervor, um gleich danach seine Stimme im Gesang zu erproben. Doch welchen Geistes waren seine Lieder? Ach, sie quollen dermaßen über von den lästerlichsten Zoten und Lüderlichkeiten, daß ich, als ein Kind der häuslichen Zurückgezogenheit und, später, der klösterlichen Strenge, in allem Ernst vermeinte, der Meister Urian säße in persona neben mir und grölte mir zum Zeitvertreib seine höllische Musik in die Ohren.
    Auf dem Höhepunkt eines seiner ausschweifendsten Gesänge angelangt, hielt mein Kompagnon unvermittelt inne. Eine Zeitlang starrte er in dem Raum umher. In der trostlosen Düsternis, darin wir einander kaum wahrnehmen konnten, glaubte ich, einen ungewöhnlichen Ausdruck seine Züge verschatten zu sehen, wagte jedoch nicht, diese Entdeckung zu erwähnen.
    ›Weißt du überhaupt, wo wir uns jetzt aufhalten?‹ flüsterte er.
    ›Nur allzu gut. – In einer Klostergruft, aller menschlichen Reichweite und Hufe entrückt, ohne Nahrung, ohne Licht, und nahezu ohne Hoffnung.‹
    ›Wohlan! So mögen auch die letzten Insassen dieses Gewölbes gesprochen haben.‹
    ›Die letzten Insassen? Wen meinst du damit?‹
    ›Ich will es dir erzählen, wenn du es ertragen kannst.‹
    ›Ich kann’s nicht hören!‹ schrie ich auf, während ich mir schon die Ohren zuhielt. ›Und ich will’s nicht hören! Was soll von einem solchen Erzähler schon anderes kommen als etwas Schreckliches!‹
    ›In der Tat, eine Schreckensnacht ist es gewesen‹, meinte dieser, damit unwillkürlich auf irgendeinen Umstand seiner Geschichte anspielend. Danach sank seine Stimme zu einem Gemurmel herab, und er entschlug sich des angedeuteten Gegenstandes.
    Ich rückte von meinem Gefährten ab, soweit die Enge des Gewölbes dies zuließ. Allein, wäre ich auch willens gewesen, zu schlafen, so hätte schon das nagende Hungergefühl, welches sich nun allmählich zu einer tödlichen

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