Melodie der Sehnsucht (German Edition)
deutlich größer als die auf Clairevaux, man hatte ihr eine ganze Zimmerflucht zugewiesen. Allerdings blickte selbst Fleurette bestürzt, als sie im Ankleidezimmer eine prachtvolle Robe bereitliegen sah: Juwelenbestickte Hochzeitskleidung in reinem Weiß.
»Mein Herr hat sich erlaubt, eine angemessene Ausstattung für die Marquise auszuwählen«, erklärte der Haushofmeister, der Sabine und Fleurette zu ihren Räumen führte. »Eure eigene Kleidung wird doch sicher zerknittert sein von der Reise.«
Sabine bedankte sich mit zitternder Stimme. Vor dem Diener durfte sie auf keinen Fall die Fassung verlieren. Aber dann sank sie erschöpft neben dem Kleid aufs Bett.
»Ich kann das nicht tragen, Fleurette, ich kann nicht. Was machen wir nur?«
Fleurette zuckte die Schultern. »Ihr werdet müssen, Marquise! Wenn er es doch selbst ausgesucht hat.«
»Aber das ist ein Affront. Das hat er absichtlich gemacht, um mich zu demütigen!« Sabines Finger verkrampften sich in den edlen Stoff des Kleides, als wollte sie es zerreißen.
»Ach was, Marquise! Das ist nur ein Kleid. Damit kann man niemanden demütigen«, meinte die praktische Fleurette zu ihrer Herrin. »Und es ist ein wunderschönes Kleid, wenn ich das mal anmerken darf. Seht Ihr die Diamanten, mit denen es bestickt ist? Diese Robe ist ein Vermögen wert.«
»Sie beschmutzt alles, was ich war!«
Fleurette schüttelte den Kopf. »Niemand kann Euch beschmutzen, Marquise. Aber wenn Ihr natürlich darauf besteht, kann ich das Kleid von gestern noch mal ausschütteln und zu glätten versuchen. Sicher könnt Ihr es noch einmal tragen. Aber damit würdet Ihr Euren Gatten erzürnen!«
Sabine zuckte die Schultern. »Daran kann ich nichts ändern: Er erzürnt mich ja auch!«
Entschlossen warf sie das weiße Kleid zur Seite und bürstete wild ihr Haar, während Fleurette sich um ihren Hochzeitsstaat kümmerte. Die kleine Zofe leistete gute Arbeit. Sabines Robe sah keinesfalls zerknittert und beschmutzt aus, als sie schließlich darin in die Kapelle trat.
Jules de Caresse runzelte die Stirn, als sie neben ihm niederkniete.
»Wo ist das Kleid, das ich für dich vorgesehen hatte?«, fragte er rüde. »Du brüskierst mich! Eine Marquise de Caresse tritt nicht an zwei Tagen nacheinander in derselben Robe vor ihre Gäste!«
Sabine suchte nach einer Ausrede. Und möglichst keine Lüge hier im Hause Gottes. Nach dem Glauben der Katharer konnte man den Herrn zwar überall verehren, aber Henriette de Montcours hatte ihr Ehrfurcht vor allen Heiligen Stätten der Menschen beigebracht.
»Es ... es war mir zu groß«, sagte Sabine schließlich und sprach damit die Wahrheit. Sie war sich immer klein vorgekommen vor den Roben der Parfaits, die in ihren weißen Gewändern weit über den einfachen Gläubigen standen. Wie sollte sie jetzt, als gedemütigte, verheiratete Frau und Verräterin an ihrem Glauben in eine solche Tunika passen?
»Wir reden später darüber«, beschied sie Caresse.
Schließlich trat soeben der Priester ein, gehüllt in ein feierlich farbiges Ornat. Die Gläubigen hinter dem Brautpaar erhoben sich zum Gebet – und Sabine und Jules bereiteten sich darauf vor, ihr Eheversprechen zu erneuern.
»Was Gott zusammen gefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen«, sagte der Priester schließlich, bevor er sie mit seinem Segen entließ. Sabine atmete auf. Zumindest das hatte sie hinter sich gebracht. Jetzt erwartete sie noch ein Festmahl. Und dann ...
»Wir bleiben nicht lange«, sagte Caresse kurz zu seiner jungen Gattin. »Gerade so lange, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Danach ... nun, ich denke, ich werde dich in deiner Kammer besuchen. Das Bett dort ist komfortabler als das meine, und es ist bereits alles vorbereitet. Auch, wenn du es bisher nicht zu schätzen wusstest.«
Bislang hatte er Sabine leicht an der Hand gehalten, während das Ehepaar der Gesellschaft voraus in den Rittersaal schritt. Aber nun schraubte sich sein Griff fast wütend um ihr zartes Handgelenk. Marquis de Caresse hatte den Affront mit dem Kleid noch nicht vergessen.
Sabine ließ ihren verzweifelt suchenden Blick über die Gäste im Festsaal schweifen. Hoffentlich war Fleurette wenigstens da und würde ihres vorzeitigen Aufbruchs Gewahr werden. Die junge Frau zitterte jetzt schon, sie würde es sicher nicht schaffen, sich allein aus dem Festkleid zu schälen, und das Schlafgemach so herzurichten, dass sie ihren Gemahl mit der geziemenden Würde darin empfangen konnte. Zunächst fand
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