Melodie der Sehnsucht (German Edition)
geirrt hatte, mit der Einschätzung deiner Figur und deiner Größe, ma parfaite Sabine.
Wo ist das Kleid, das ich für dich vorgesehen hatte?« Die ersten Worte hatten einschmeichelnd geklungen, aber jetzt wurde die Stimme des Marquis’ schneidend.
Sabine sah ihn erschrocken an. »Ich weiß nicht ...«, stammelte sie. »In irgendeiner Truhe. Fleurette muss es weggelegt haben. Sollen wir nicht erst ...« Hilflos wandte sich Sabine dem Bett zu, Sie wollte den Besuch ihres Gatten hinter sich bringen und hatte eigentlich gedacht, dass auch er darauf drängen würde. Die Frage nach dem Kleid irritierte und ängstigte sie.
»Dann such es!«, fuhr Caresse sie an. »So weit kann’s ja nicht sein.«
Während Sabine wie erstarrt in der Mitte der Kemenate stehen blieb, riss er eine der Truhen auf und wurde sofort fündig. Fleurettes Aufräumungsarbeiten in der Schlafkammer waren eher eilig als gründlich gewesen, sie hatte sowohl das weiße Kleid als auch das eben getragene zuoberst in das nächstbeste Behältnis geworfen.
»Na also.« Der Marquis zog die Robe heraus und glättete sie flüchtig.
»Und nun zieh sie an!«
Sabines Herz klopfte heftig. Nach wie vor spürte sie heftige Abwehr in sich, die Farbe der Reinheit im Angesicht dieses Mannes zu tragen. Zudem wusste sie zwar nicht viel über das, was einer Frau während der Hochzeitsnacht widerfuhr, aber eins war doch klar: Es hatte eher mit aus- denn mit anziehen zu tun!
»Nun mach schon, Mädchen! Ich möchte dich im Brautstaat sehen! Und außerdem wollten wir doch herausfinden, inwiefern das Kleid falsch angemessen ist.«
Sabine griff nach dem Unterkleid als zwänge man sie, etwas Aussätziges zu berühren.
»Ich kann das nicht allein ...«, flüsterte sie.
»Nein?«, fragte Caresse mit einem ungläubigen Blick auf das weite Gewand. »So lass mich dir helfen.«
Mit raschen, groben Bewegungen zog er Sabine an sich heran, riss ihre Arme hoch und zerrte das Hemd über ihren Kopf. Sie stand nun nackt vor ihm, aber er schien das gar nicht zu bemerken, sondern reichte ihr das weiße Untergewand. Während Sabine noch scheu versuchte, sich damit zu bedecken, warf er auch die Tunika über sie. Strahlendweiß gekleidet, die Diamanten blitzend im Licht der Fackeln, das Haar über den Rücken fallend wie ein schwarzer Strom, der seinen Weg durch eine schneebedeckte Ebene sucht, stand sie vor ihm. Ihr Gesicht war trotz des eben genossenen Weines fast so weiß wie ihre Robe, die Augen hielt sie demütig gesenkt.
Caresse betrachtete das Bild mit lüsternen Augen. Genauso hatte er sie sich vorgestellt, die sagenhaften Parfaites der Katharer. Frauen und Mädchen, die nie ein Mann angerührt hatte und die dadurch magische Kräfte gewannen. Feengleiche Geschöpfe, die über Schätze wachten und Geheimnisse hüteten. Nachdem in Montségur kein Schatz gefunden worden war, munkelten die Belagerer von Eingängen zu anderen Welten, die sich den Parfaits erschlossen, wenn sie nur die Arme hoben und ein paar Zauberformeln sprachen. Caresse hatte damals davon geträumt, eine dieser Frauen zu besitzen und zu bezwingen. Er würde sie öffnen, über Pfade der Lust und des Verlangens zerren, bis sie ihm ihre Geheimnisse offenbarte. Leider war ihm nach dem Fall der Burg kein jüngeres Mädchen in die Hände gefallen. Die meisten Anführer der Ketzer hatten die Burg rechtzeitig verlassen – womöglich auf besagten Zauberpfaden. Gefangen hatte man nur einige weiß gewandete Greisinnen und Greise – die durchweg auf dem Scheiterhaufen gestorben waren – gefoltert, aber nicht ihrer Unschuld beraubt. Wer mochte schließlich runzelige Weiber mit hängenden Brüsten!
Aber diese hier, Sabine, bei ihr verhielt es sich anders. Gut, sie war noch nicht in den geheimsten Kreis der Ketzerfürsten aufgenommen, und sie hatte nach dem Fall der Burg auch brav ihrem Glauben abgeschworen wie die große Mehrzahl der anderen Albigenser. Aber Jules hatte läuten hören, dass sie nah daran war, ihr Gelübte abzulegen – und Père Lacroix, der Hofgeistliche, den man Clairevaux aufgezwungen hatte, faselte auch von möglichen, heimlichen Andachten, organisiert von der kleinen Sabine. Vielleicht wusste sie also schon einiges – und auf jeden Fall war sie hübsch! Jules schien es die Sache wert, ein paar Fäden zu ziehen und seine ›Freiheit zu opfern. Letzteres fiel ihm leicht. Die Burg von Caresse war groß – wenn er keine Freude an Sabine la Parfaite fand, konnte er seine Maitressen mühelos vor ihr
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