Melodie der Sehnsucht (German Edition)
sie ihre kleine Zofe allerdings nicht. Auf Caresse war es offensichtlich nicht üblich, alle Angehörigen des Hauses zum Nachtmahl im großen Saal zu empfangen. Hier blieb die Mahlzeit mit dem Herrn den Rittern vorbehalten – selbst die Frauen der Edlen waren gewöhnlich nicht geladen, sondern speisten in ihren Kemenaten. Was dies anging, machte die Hochzeit natürlich eine Ausnahme, aber die Knechte und Dienerinnen mussten sich auch heute in der Küche beköstigen. Sabine geriet insofern fast in Panik, als Caresse sich und seine junge Gattin schließlich förmlich bei den Gästen entschuldigte und Sabine unter dem johlenden Beifall der Ritterschaft aus dem Saal führte. Die Halle des Marquis lag etwas abseits von den Kemenaten und allein hätte Sabine den verschlungenen Weg über verschiedene Treppen und Wehrgänge kaum wiedergefunden. Aber immerhin erwartete sie Fleurette auf halbem Weg – oder war es Zufall, dass die kleine Zofe sich vor den Ställen mit einem hochgewachsenen jungen Burschen unterhielt und dabei den erhöhten Wehrgang im Auge behielt, über den Caresse Sabine eher zerrte als leitete?
Sabine jedenfalls erkannte mit Erleichterung, dass ihr Mädchen das Paar offensichtlich erspähte und in Windeseile eine andere Stiege hochlief, die der Stallknecht ihr anwies. Brav erwartete sie ihre Herrin im Eingang zu ihren Gemächern.
»Gebt uns ein wenig Zeit, Eure Gattin auf die Nacht vorzubereiten, Monsieur le Marquis«, bat sie diensteifrig und knickste tief. »Sie wird Euch in wenigen Augenblicken erwarten!«
Jules de Caresse schien das nicht recht zu sein, aber er wusste, dass es dem Brauch entsprach und wollte nicht, dass die Dienstboten über ihn redeten.
»Aber macht schnell. Ich habe lange genug gewartet!« brummte er, und überließ Sabine widerwillig den sanften Händen Fleurettes, die sie auskleideten und die zarte Haut an ihrer Kehle, in ihren Achsel- und Kniekehlen mit Rosenöl salbte. Die Zofe löste den Brautschleier aus Sabines Haar und bürstete es noch einmal, bis es in weichen Wellen über ihre Brüste bis zu ihrer Taille fiel. Sabine trug nun nur noch ihr Hemd aus feinstem Leinen, unter dem sich ihre schlanke Gestalt schemenhaft abzeichnete. Verschämt schlug das Mädchen die Bettdecke um sich.
Fleurette hatte vorher schon Wein bereit gestellt, den Sabine ihrem Gatten kredenzen konnte. Jetzt füllte sie rasch einen der Pokale bis zum Rand und hielt ihn ihrer Herrin hin.
»Hier, Marquise, das trinkt Ihr jetzt aus. Nein, nicht nur nippen, runter damit. Ihr seht ja blass aus wie der Tod, wenn Ihr Euch nicht etwas stärkt, fallt Ihr womöglich in Ohnmacht, wenn Euer Gatte Euch umarmt. Austrinken, Marquise! Keine Widerrede, bis zum letzten Tropfen!«
Fleurette hielt Sabine den Kelch an die Lippen, und das Mädchen schluckte gehorsam. Der letzte Tropfen des Weins benetzte noch ihre Lippen, als es an der Tür der Kemenate klopfte.
»Da ist er schon«, seufzte Fleurette. »Der hat uns ja keinen Augenblick zu viel gelassen. Aber nun ist es soweit, Marquise, seid stark! Wenn der Herr beliebt, die Nacht mit Euch zu verbringen, sehen wir uns Morgen. Falls er zurück in seine Gemächer geht, komme ich später noch zu Euch. Darauf könnt Ihr Euch verlassen. Egal wie spät es wird.«
Sabine fragte sich flüchtig, wo Fleurette wohl schlafen würde, falls ihr Gatte tatsächlich in ihren Gemächern bleiben würde, und wie sie herausfinden wollte, ob er sie später verließ oder nicht. Nun, für letzteres bot sich wohl wieder der Beobachtungspunkt vor den Ställen an – und die Gesellschaft dort hatte Fleurette ja auch gefallen. Auf jeden Fall war die kleine Zofe die letzte, um die Sabine sich jetzt sorgte. Sie vergaß das Mädchen, als sie seine leichten Schritte durch die Kemenate eilen hörte, um dem Marquis die Tür zu öffnen.
Aber da stand Jules de Caresse auch schon in Sabines Schlafgemach. Offensichtlich hatte er nicht gewartet, bis jemand ihn herein bat.
»Da bist du ja, meine Schöne«, erklärte er befriedigt, als er Sabines ansichtig wurde. Die junge Frau füllte gerade mit zitternden Fingern Wein in den zweiten Pokal, um ihren Gatten willkommen zu heißen.
»Aber vergiss jetzt den Wein, davon hatte ich bereits genug. Es gibt andere Dinge, an denen wir uns heute berauschen wollen.« Caresse nahm Sabine das Glas aus der Hand und stellte es ab. Dabei wanderte sein Blick suchend durchs Zimmer.
»Vorher allerdings würde ich gern noch einmal nachprüfen, inwieweit ich mich wirklich
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