Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Fähigkeit, eine Frau zu unterhalten und ihr mit schönen Worten zu schmeicheln. Der junge Ritter übt das mit seiner Herzensdame, und natürlich kommt es vor, dass auch sie für ihn entbrennt. Die beiden Feuer verbinden sich aber nur selten zu einer einzigen Flamme, auch wenn viel darüber geredet wird. Bedenken Sie, Marquise, dass große Damen wie Catherine d’Aquitane oder Jeanne de Riviere nicht nur einen Ritter haben, der ihnen dient, sondern oft Dutzende, ja Hunderte, die mit ihrem Zeichen in die Schlacht ziehen. Undenkbar, all denen amouröse Versprechungen zu machen! Aber natürlich nimmt nicht jeder Ritter und nicht jede Dame die Verpflichtungen der Hohen Minne wirklich ernst. Unter dem Deckmäntelchen der Minne finden sich so manches junge Mädchen und so mancher junger Ritter zu nichts anderem zusammen als verderbter Tändelei.«
»Senkt sich der Abend über uns, so danke ich den Sternen, hüllen die doch meine Liebste in zartestes Licht ...«
Sabine fühlte sich wie fortgetragen von Florimonds Stimme, als läge sie selbst mit ihm unter den Sternen einer Sommernacht.
»Und ... und Troubadoure? Wie Florimond d’Aragis?« Sie musste die Frage stellen. Sie musste sich losreißen, wenn dieser Mann zu den Tändlern und Verführern gehörte.
»Oh, Chevalier D’Aragis ist über jeden Zweifel erhaben«, erklärte Marianne im Brustton der Überzeugung. »Als junger Ritter hat er seine Liebe Eloise, der Herzogin von Flandern und Navarra angetragen, und zog dann viele Jahre unter ihrem Zeichen in den Kampf. Vor einigen Monaten ist sie jedoch verschieden, und es heißt, er trauere immer noch um seine Minneherrin.«
»Zumindest hat er noch keine neue erwählt«, verriet Honorine. »Soweit man weiß. Oh, ich wünschte, er nähme mich. Allein seine Stimme ließe mich erschauern, wenn er mir seine Taten schildert.«
Sabine überließ die Mädchen ihren Schwärmereien und wandte sich erneut dem Fenster zu. Der Mann dort unten musste ihre Silhouette sehen, aber das machte ihr nichts aus.
»Die Nacht aber legt ihren Schleier über größte Wonnen, denn ist auch mein Auge geblendet, so fühle ich doch das Herz meiner Liebsten schlagen so schnell, so nahe dem meinen ...«
Sabines Herz klopfte rasend, als die anderen Frauen sich nun wirklich verabschiedeten – zweifelsfrei auch deshalb, um auf den Wehrgang hinaustreten und einen raschen Blick auf den Sänger erhaschen zu können, bevor sie sich in ihre Kemenaten zurückzogen. So manche mochte hoffen, dass Florimond ihr folgte, aber der Sänger blieb vor der Schwelle Sabines.
»Ai de mi, wie schön wäre mein Leben, könnte ich meine Liebste fortführen in das Land unserer Träume ...«
Sabine lächelte, als Fleurette ihr aus ihrem festlichen Kleid half.
»Wir müssen diesem jungen Mann irgendetwas zukommen lassen«, meinte sie, und versuchte unbekümmert zu klingen. »Es war wirklich freundlich, heute Nacht noch für uns Frauen zu singen. Ob ein Goldstück angebracht wäre?«
Fleurette lachte ausgelassen. »Ach, Marquise, der junge Mann hat nicht für uns gesungen, sondern nur für Euch. Und er will auch kein Goldstück. Schenkt ihm nur ein Band von Eurem Kleid.«
Die kleine Zofe knüpfte geschickt ein Seidenband aus Sabines Tunika, das den Ausschnitt geschmückt hatte und drückte es ihrer Herrin in die Hand.
»Was mache ich denn jetzt damit?«, fragte Sabine unsicher.
Fleurette verdrehte die Augen.
»Na, geht damit raus. Werft es zu ihm hinunter.« Fürsorglich legte sie ein Cape über Sabines Nachthemd, um ihre Herrin warm zu halten.
Sabine verließ zögernd ihre Kemenate und trat in den kalten Winterabend. Immerhin regnete es nicht mehr, und unten war es nun auch still. Man hörte nur das Lärmen der Ritter, die jetzt nach und nach die Halle verließen, um sich zur Ruhe zu begeben.
Vielleicht war Florimond ja auch bereits gegangen.
Sabine beugte sich suchend über das Wehr, aber da stand er noch und sah zu ihren Räumen empor.
»Monsieur, Sie haben uns erfreut«, sagte Sabine leise. »Bitte, nehmen Sie das zum Dank.« Sie ließ das Band fallen, und Florimond fing es auf und führte es an seine Lippen.
»Ich meine, Eure Wärme zu spüren, wenn ich Euer Zeichen an mich drücke«, sagte er mit seiner anrührenden Stimme. »Erlaubt mir, es morgen im Turnier an meiner Lanze zu tragen.«
Sabine entgegnete nichts, denn jetzt traten die Ritter wirklich in Gruppen aus der Halle, und sie musste sich schleunigst zurückziehen, um nicht vom halben Hof gesehen
Weitere Kostenlose Bücher