Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Angst. Florimond würde gleich reiten, er würde mit der gleichwohl abgepolsterten Lanze gegen seinen Gegner in die Schranken treten. Wie leicht konnte ihm dabei etwas passieren! Wenn er vielleicht vom Pferd stürzte oder später beim Schwertkampf. Gut, man kämpfte mit Holzschwertern, aber wie schnell konnte so eine Waffe splittern und ins Auge des Ritters fahren.
Sabine konnte weder Freude noch Stolz empfinden, als Florimond nun das Visier senkte und sein Pferd auf den Startplatz dirigierte. Sie wusste jetzt, dass Kampf für sie niemals ein Spiel sein konnte. Sie hatte zu viele Ritter vor Montségur fallen sehen.
Florimond fiel es allerdings leicht, ihre Furcht zu zerstreuen. Obwohl sein Pferd zierlicher war als das des Gegners, hebelte er ihn schon mit dem ersten Stoß seiner Lanze aus dem Sattel. Bei dem jungen Troubadour wirkte das spielerisch einfach, selbst Sabine sah den Unterschied zu den anderen Rittern. Florimond stieg dann ab, um sich dem Gegner zum Schwertkampf zu stellen, aber auch den entschied er leicht für sich. Kaum außer Atem verbeugte er sich vor der Ehrentribüne und nahm sein Pferd wieder in Empfang.
»War es das jetzt?«, fragte Sabine Marianne. »Hat er gewonnen?«
Marianne lachte. »Na, na, Marquise, Ihr seid ja ganz blass. Habt Ihr vielleicht doch ein bisschen Zuneigung zu unserem schönsten Ritter gefasst? Hier, nehmt einen Schluck Wein, bevor es jeder merkt. Und damit Ihr nicht umfallt, wenn Euer Ritter das nächste Mal kämpft. Gewonnen hat er nämlich noch nicht, nur diesen Kampf. Er wird auch noch gegen die Sieger von ein oder zwei anderen Kämpfen antreten müssen.«
Der nächste im Tjost war François de Caresse, aber Sabine nahm seinen mit grimmigen Gesicht vorgebrachten Gruß kaum wahr. Sie sah nur, dass er seinen Gegner ebenso schnell und scheinbar auch so mühelos in den Staub schickte wie Florimond zuvor.
Und gleich danach war auch wieder Florimond an der Reihe – es gab hier nicht viele Ritter seines Kalibers. Im Gegensatz zu großen Turnieren, wo viele bekannte Streiter auftraten und sich erbitterte Kämpfe um die horrenden Siegprämien lieferten, machen es hier fünf oder sechs Kämpen unter sich aus. Florimond traf diesmal auf Alices kleinen Bewunderer, der gegen ihn natürlich keine Chancen hatte. Trotzdem schlug der Troubadour ihn nicht in Grund und Boden, sondern bewies ritterliche Großmut, indem er den Schlagaustausch länger hinauszog und den jungen Mann fast etwas glänzen ließ, bevor er ihn mit einer schnellen Bewegung entwaffnete. Sabine hatte sich inzwischen soweit gefasst, dass sie ihn dafür mit einem Lächeln belohnte.
Auch François schlug einen weiteren Gegner, und dann endlich kündigte der Herold den letzten Kampf des Tages an: Florimond d’Aragis und François de Caresse würden um den Preis des Siegers ringen.
»Und wer wird den Sieger küssen?«, fragte Alice auf dem Podium ausgelassen. Bei offiziellen Turnieren bestand der Ehrenpreis des Siegers im Kuss einer schönen Frau – meist der Tochter des Gastgebers oder auch mal einer großen, berühmten Minneherrin.
»Du jedenfalls sicher nicht!« meinte Caroline de Breton, Mariannes Tochter, etwas boshaft. »Das könnte dir so passen! Turteln mit dem Sohn des Hauses oder gar mit Florimond d’Aragis!«
Caroline mochte auch etwas eifersüchtig sein. Es wurde darüber gesprochen, sie mit François de Caresse zu verheiraten. Aber Jules hatte es damit nicht eilig. Schließlich hatte er gerade selbst eine junge Frau, da brauchte er kein weiteres Mädchen am Hofe, das danach lechzte, die Herrin zu werden. Auch François schien sich wenig für die blonde, etwas rundliche Caroline zu erwärmen. Heute jedenfalls hatte er nur Augen für Sabine, als er neben Florimond auf das Podium zuritt und erneut grüßte.
»Für die Ehre des Hauses Caresse!«, rief er seinen Schlachtruf und sah dabei seine junge Stiefmutter an. Hart und besitzergreifend. Den Kuss des Siegers würde er sich schon irgendwann holen.
Florimond hob seinen strahlenden Blick.
»Für die Herrin der Bergseen«, sagte er ruhig. »Die Dame, die mein Herz gefangen hält.«
Die zuschauenden Frauen und Mädchen waren entzückt. Jules de Caresse verdrehte dagegen die Augen.
»Nun, der Kerl kann kämpfen – dafür sieht man ihm manches nach«, bemerkte er zu Gerard de Breton.
François de Caresse saß auf einem schweren Streitross, während Florimonds Pferd wohl eher um seiner Vielseitigkeit willen erworben worden war. Das Tier trug ihn nicht
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