Melodie der Sehnsucht (German Edition)
wünschte, Jeannot wäre auch solch ein Dichter.«
Sabine nahm sich zusammen. »Nun rede keinen Unsinn, Fleurette, ich werde doch mit keinem Ritter verstohlene Blicke tauschen. Ich dachte nur ... aber du hast sicher recht, das dunkle Wollkleid wird mich warm halten.«
In den nächsten Stunden erwies sich das als bitter nötig. Sabine konnte nicht umhin, den anderen Frauen zuzustimmen – spätestens nach den ersten zwanzig Rittern wurde der Tjost, der ritterliche Zweikampf, eher langweilig. Zumal an so kalten und regnerischen Tagen wie diesem. Die Zuschauer begannen bald zu frösteln und labten sich mit heißem Glühwein, welchen die Diener reichlich kredenzten. Vor allem die Herren sprachen ihm kräftig zu. Jules und seine Freunde wurden nicht müde, den Kampfstil auch des jüngsten Knappen ausführlich zu analysieren.
»Nachher wird es etwas interessanter«, tröstete Marianne de Breton die enttäuschte Sabine. »Sie beginnen immer mit den jüngsten Rittern, welche natürlich die schwächsten Leistungen zeigen. Aber wenn später Kämpen wie Florimond d’Aragis in die Schranken treten ...« Sie zwinkerte Sabine fast verschwörerisch zu. Sabine schlug die Augen nieder. Es durfte nicht sein, dass man ihr ihre Erregung ansah.
Tatsächlich klarte gegen Mittag nicht nur das Wetter auf, sondern auch die Darbietungen wurden spektakulärer.
Honorine d’Avignons Gatte lieferte sich einen erbitterten Streit mit einem jungen Ritter, der das Zeichen der errötenden Alice de Marais in den Kampf trug. Das Mädchen war schier außer sich, und als er den Kampf wider Erwarten für sich entschied, belohnte sie ihn mit einer Spange von ihrem Mantel. Der fiel daraufhin auseinander, und in den nächsten Stunden konnte Alice ihn nur mit den Händen festhalten oder jämmerlich frieren, aber das tat ihrer Begeisterung keinen Abbruch.
Endlich trat auch Florimond auf und bot in seiner schillernden Rüstung einen wahrhaft königlichen Anblick. Sabine fragte sich, wer sie wohl so poliert haben mochte, der Ritter hatte doch keinen Knappen mit sich geführt. Aber ihre Aufmerksamkeit wurde gleich dadurch abgelenkt, dass sie das Band aus ihrem Ausschnitt an seiner Lanze flattern sah. Sabine wurde darüber warm ums Herz, aber bei den anderen Zuschauern wirkte das Zeichen an Florimonds Lanze wie eine kleine Sensation.
»Das erste Mal seit dem Tod der Herrin Eloise, dass er nicht mit einem Trauerflor um die Lanze in den Kampf reitet«, raunten die Damen. »Er muss eine neue Herrin erwählt haben!«
»Aber wo? Ich sah ihn noch vor drei Wochen in Toulouse, und da schien er nach wie vor in Trauer befangen.«
Florimond und sein Gegner, ein Ritter aus Caresses Gefolge, lenkten ihre Pferde vor die Ehrentribüne und nahmen zum Gruß die Helme ab.
Der junge Troubadour verneigte sich tief vor den Damen – und Sabines Herz klopfte erneut wie rasend. Dabei kannte sie seine Züge nun doch schon und wusste, wie warm seine Augen leuchten konnten und wie jungenhaft sein Antlitz wirkte, wenn er lächelte. Aber es war immer wieder gleich – sobald Florimond sie ansah, schien sich ein Glanz um sie zu legen wie eine Aura der Bewunderung und Sehnsucht. Sie wunderte sich fast, dass die anderen dieses Leuchten nicht wahrnahmen. Aber die Bahn der Sterne zwischen Sabine und dem Ritter offenbarte sich nur ihr allein.
»Mi Dons ... Meine Dame«, flüsterten Florimonds Lippen, und wohl jede der anwesenden Damen außer Sabine erwiderte sein Lächeln.
»Vielleicht hat er sich ja erst hier eine Dame ausgeguckt«, lachte einer der älteren Ritter neben Caresse. »Doch wohl nicht gar Ihre Gattin, Marquis?«
Jules de Caresse zuckte gleichmütig die Schultern. »Meine Gattin weiß, wem sie gehört«, sagte er mit einem flüchtigen Seitenblick auf Sabine. »Ihre Tugend ist über jeden Zweifel erhaben – das zumindest haben die Ketzer geschafft, die sie erzogen haben! Und was die geistige Führung angeht, oder was die Kerle angeblich bei ihren ›Herrinnen‹ suchen – der junge Mann will doch nicht auf dem Scheiterhaufen enden!«
Die Ritter um ihn herum lachten, während einige ältere Frauen wie Marianne de Breton eher die Münder verzogen. Auch Sabine wäre gewöhnlich erschrocken, zweifelte ihr Gatte doch mit diesen Worten an der Ernsthaftigkeit ihres Übertritts zum Kirchenglauben.
Heute hörte sie jedoch gar nicht hin, sondern stand starr, wie verzaubert. Verwirrt verlor sie sich in ihren Gefühlen von Glück, aber auch von zuvor nie gekannter, fast panischer
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