Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Unwiderstehlichkeit von dannen zog.
»Ich erwarte Euch im Mondschein, Marquise!«
Sabine dachte jedoch gar nicht daran, sich seinen Gelüsten auszuliefern. Die Nacht verbrachte sie sicher und ohne jedes schlechte Gewissen in ihrer Kemenate, bewacht von Fleurette, die zurzeit stets züchtig in ihrem eigenen Bett schlief. Jean Pierre war bereits nach Toulouse voraus gereist und hatte der kleinen Zofe Schwüre der Liebe und Treue abverlangt. Nun träumte sie von ihm und stöhnte wohlig im Schlaf, während Sabine besorgt ins Dunkel lauschte. François wagte jedoch keinen Einbruch. Nicht einmal der Sohn des Hauses hätte sich herausreden können, wenn man ihn bei Nacht in den Frauengemächern erwischt hätte.
Am nächsten Tag sah Sabine den jungen Ritter nur kurz beim Abritt. Sie wollte die Augen niederschlagen, aber dann ritt sie der Teufel und sie lächelte ihn triumphierend an. Da sie bereits auf dem Pferd saß, musste sie dazu auf ihn herabblicken, was ihn zusätzlich demütigte. Der Ritter warf ihr einen hasserfüllten Blick zu.
»Wir sehen uns wieder, Marquise«, sagte er mit kaum unterdrückter Wut.
Der Ritt nach Toulouse war anstrengend, verlief aber ohne Zwischenfälle. Ohne größere Entourage kamen die Reiter rasch vorwärts und Sabine genoss die Reise, zumal sie immer weiter ins Zentrum von Aquitanien führte. Das Land wurde flacher und sonniger, die Architektur wirkte verspielter und nicht so trutzig und streng wie im Grenzland und besonders bei den stets verfolgten Katharern. Von den Feldern her grüßten wohlgenährte und gut gelaunte Bauern und Tagelöhner und die Straßen schienen sicher. Zwar sammelte De Caresse besonders bei der Durchquerung von Waldstücken seine bewaffnete Eskorte um sich, aber es gab keine Zwischenfälle. Die Kernregionen von Aquitanien erwiesen sich als reiches Land mit zufriedenen Bürgern.
Der Marquis und sein Anhang mussten auch nur selten in Zelten übernachten. Meist fand sich ein Burg- oder Schlossherr, der die Reisegesellschaft freudig aufnahm und bei den abendlichen Festmählern das Beste auffahren ließ, was Küche und Keller zu bieten hatten. Sabine bekam hier auch schon einen Vorgeschmack der Hofhaltung der Herzogin. Jede Schlossherrin hatte den Ehrgeiz, es Catherine d’Aquitaine nachzumachen und ihren eigenen Minnehof zu führen. So wimmelte es bei den abendlichen Banketten vor fröhlich schwatzenden Edelfräulein, die mit den Rittern ungeniert Teller und Becher teilten. Troubadoure und Dichter waren kein Einzelfall unter den Rittern eines Hofes, sondern eher die Regel. Anscheinend hatten die Frauen hier durchaus ein Mitspracherecht, wenn es darum ging, welche fahrenden Ritter die Burgherren zum Bleiben einluden. Nach dem Mahl gaben stets einige Sänger und Lautenspieler ihre Lieder zum Besten, aber natürlich kam keiner von ihnen Florimond d’Aragis auch nur im Entferntesten gleich.
Nach sechs Tagen Ritt erreichten die Reisenden dann endlich die Burg des Herzogs, die hoch über dem kleinen, aber aufstrebenden Ort Toulouse angelegt war. Sabine staunte über ihre Ausmaße, welche die von Montségur noch übertrafen. Aber die Feste Montségur war ja, all ihrer Schönheit zum Trotz, vor allem eine Trutzburg und Zufluchtsstätte für die letzten Albigenser gewesen. Der Herzogsitz bot dagegen auch alle möglichen Annehmlichkeiten für den darin residierenden Hof. Die Frauengemächer bildeten hier einen ganz eigenen Trakt mit Gemeinschaftsräumen und offenen Höfen, umgeben von vielfältigen Gartenanlagen. Vom häufigen Sonnenschein verwöhnt, empfingen die Damen ihre Ritter ganz selbstverständlich zwischen betörend duftenden Magnoliensträuchern oder heimlich in verschwiegenen Nischen, die von Rosenhecken gebildet wurden. Und auch sonst waren Männer und Frauen weniger streng getrennt als etwa auf Caresse und selbst in den Schlössern der Katharer. So ritten die Edelfräulein des Morgens zum Beispiel gern aus, um den Rittern beim Kampfspiel zuzuschauen.
Jules de Caresse missbilligte diesen Brauch und stieß in der Folgezeit sogar mit dem Herzog aneinander, als er sich die Zuschauerinnen beim Training seiner Division energisch verbat.
»Mag ja sein, dass es den Ehrgeiz der jungen Ritter anstachelt, wenn ihre Herzensdame auf ihrem Pony neben dem Kampfplatz sitzt«, bemerkte er. »Aber die Technik und die Disziplin leiden darunter. Dies ist kein Turnier, hier wird nicht mit schon erworbenen Kenntnissen geprotzt, sondern exerziert. Dabei muss auch mal einer vom Pferd
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