Melodie der Sehnsucht (German Edition)
nun endlich gelernt, ordentlich die Laute zu schlagen?«
Die Zuhörer lachten, als sich der Ritter in den hinteren Reihen der Männer errötend erhob. Sabine jedoch schien der Herzschlag zu stoppen, als sich ihre Blicke mit denen des neuen Sängers trafen: ein hochgewachsener Mann mit blondem, halblangem Haar, edlen Zügen und leuchtend blauen Augen.
Philippe d’Ariège war kein anderer als Philippe de Montcours, Sabines Jugendfreund – ihr Ritter von Montségur, der sie dann doch feige verlassen hatte!
Philippe wandte die Augen ab, als sie zu ihm aufsah, und Sabine fragte sich, ob sich der von jeher mäßige Sänger und Dichter wirklich nur schämte, in diesem Kreis auftreten zu müssen, oder ob die Röte schon in sein Gesicht gezogen war, als er vorhin Sabines Worte hörte. Was war nur über sie gekommen, die Hingabe der Parfaits mit den Liebesspielen der Hohen Minne gleichzusetzen?
Als der Ritter sich ihr endlich zuwandte, stand in seinen Augen jedoch keine Missbilligung, sondern nur Erstaunen und auch Bewunderung für Sabines Erscheinung. Er verschlang sie mit Blicken, während er sein Lied zum Vortrag brachte. Dabei misslang sein Lautenspiel wieder einmal völlig.
Schließlich endete Philippe seine Darbietung und verbeugte sich vor den Damen. Der Beifall fiel verhalten aus, aber die Herzogin nickte ihm gütig zu, und Sabine versuchte, es den anderen Damen gleichzutun und den Herrn mit einem wohlwollenden Lächeln zu verabschieden. Sie hätte tausend Fragen gehabt, aber die würden warten müssen. Schließlich hatte der Ritter sie nicht begrüßt und am Hofe willkommen geheißen, wie es sich ziemte. Dabei stammten sie beide aus Ariège, niemand hätte es gewundert, hätte Philippe sich gleich zu erkennen gegeben. Vielleicht hätte die Herzogin dann sogar auf Sabines weitere Mitwirkung am Sängerwettstreit verzichtet und sie mit dem Jugendfreund allein gelassen, um Erinnerungen auszutauschen. Philippe schien die Bekanntschaft aber leugnen zu wollen –, und er benutzte auch nicht seinen wahren Namen. Wollte er nicht als Ritter von Montségur erkannt werden? Rechnete er sich bessere Karrierechancen am Hof des Herzogs aus, wenn er nicht als ehemaliger Ketzer bekannt wäre? Was machte er überhaupt hier?
Während Sabine grübelte, ging der Sängerwettstreit weiter und schließlich kürte man einen glutäugigen jungen Ritter aus Poitiers zum Sieger.
»Sabine, Euch als die Neueste in unserem Kreis gebührt das Privileg, ihn zu küssen«, schlug Barbe de Richemonde scheinbar übermütig vor. »Kommt, Chevallier de Salle, nehmt Euren Preis entgegen!«
Sabine stand hölzern auf. Sie hatte sich inzwischen längst an die Sitte gewöhnt, praktisch jeden zweiten Besucher auf der Burg ihres Gatten mit einem Willkommenskuss zu ehren. Die Scheu der Parfaite vor diesen beiläufigen Berührungen war längst verflogen. Aber nun, im Angesicht von Philippe de Montcours, erfasste sie die alte Panik. Was würde der Ritter von ihr denken? Er, dem sie damals sogar den Verlobungskuss verweigert hatte, als Philippe sich bereit erklärte, zum Schein um sie anzuhalten!
Es gab allerdings auch keine Möglichkeit, sich der Sache zu entziehen.
Sabine erhob sich ungelenk, trat auf den Sänger zu und drückte ihm einen scheuen Kuss auf die Wange. Als sie sich daraufhin zu Philippe umwandte, war der Ritter verschwunden.
Elftes Kapitel
Als die Ritter und Edelfräulein sich nach dem Wettstreit der Sangeskünstler verstreuten, strebte Sabine ihren Räumen zu.
Sie war zum Umfallen müde, und so gern sie auch heute noch Antworten auf so manche Frage erhalten hätte, war sie doch froh, dass Philippe in dieser Nacht keine weitere Begegnung suchte. Schließlich fiel sie ins Bett – vorbereitet von der ebenfalls schläfrigen, aber zumindest glücklichen und zufriedenen Fleurette. Sie hatte Sabines Abwesenheit genutzt, das Wiedersehen mit ihrem Jeannot zu feiern.
»Die Unterkünfte für die Diener sind hier viel schöner als in Caresse!«, verkündete sie vergnügt. »Es gibt ein richtiges Schlafhaus bei den Ställen, sauber und ordentlich. Aber natürlich teilen sich die Knechte alle einen Raum. Deshalb sind Jean Pierre und ich doch lieber in den Stall gegangen. Eurer Stute geht es gut, Marquise.«
Sabine nickte schläfrig und versank sofort in einen allerdings unruhigen Schlummer, in dem sie immer wieder ihr früheres Leben in Montcours und Montségur vor sich sah. Sie träumte von glücklichen Tagen mit der Parfaite Henriette, aber auch
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