Melodie der Sehnsucht (German Edition)
fallen dürfen, ohne den Spott dieser Gänschen zu riskieren.«
Die Herzogin Catherine lachte allerdings nur über die Einwände des alten Kriegers. Sabine lernte sie gleich am Tag ihrer Ankunft in der Burg kennen, sie hielt nicht viel von Förmlichkeiten. So wartete sie nicht bis zur offiziellen Audienz am nächsten Morgen, sondern besuchte ihre neue Hofdame gleich in ihrer Kemenate. Schon um sich zu erkundigen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit vorbereitet sei.
»Mon Dieu, was für ein hübsches Kind!«, strahlte sie beim Anblick Sabines und zog die junge Frau, die verschämt knicksen wollte, zum schwesterlichen Gruß in ihre Arme. »Ihr werdet Euch vor Herren nicht retten können, Sabine, die Euch ihre Minne antragen.« Catherine hob ein paar Strähnen von Sabines schwerem Haar an, das Fleurette gerade gelöst hatte und betrachtete den Schnitt ihres Gesichts und ihre Nackenlinie, als beurteile sie eine schöne Stute. »Bisher konnte ich ja nicht glauben, was man sich erzählt – von der geheimnisvollen Dame, deren Zeichen Florimond d’Aragis neuerdings in den Kampf trägt. Aber nun, da ich Sie sehe ...« Catherine lächelte vielsagend.
Sabine bemühte sich, die Herzogin selbst nicht so ungeniert anzustarren. Entsprach Catherine d’Aquitane ihrerseits doch kaum dem Ideal außergewöhnlicher Schönheit. Die Herzogin war eher klein, neigte zu prallen Formen und Apfelbäckchen unter ihrem lockigen blonden Haar. Aber sie hatte kluge blaue Augen, die ihre Verehrer oft mit dem Himmel über der Zauberinsel Avalon verglichen, einen kleinen, kirschroten Mund, umgeben von Lachfältchen und ein zierliches Näschen, das sich ein wenig nach oben stubbste. Dazu sprühte sie buchstäblich vor Temperament und meist guter Laune, hatte tausend Ideen, ihre jungen Ritter und Edelfräulein auf das Angenehmste zu unterhalten und ein ausgesprochenes Talent für die Pflege der Gärten, denen ihr ganzer Stolz galt.
»Sind Sie heute zu müde, Sabine, oder mögen Sie sich noch zu uns gesellen?«, fragte sie jetzt. »Meine Mädchen haben zu einem Sängerwettstreit aufgerufen, und mir wäre es sehr recht, wenn ich noch eine gestrenge Jurorin finde, die zudem unparteiisch ist. Oder kennen Sie bereits jemanden an diesem Hof?«
Sabine hatte zwar keine besondere Lust, ihre armen Ohren gleich wieder von ein paar Möchtegerntroubadouren strapazieren zu lassen. Aber andererseits hatte es sie beflügelt, von Florimond zu hören. Wenn er immer noch ihr Zeichen trug, war hier sicher nicht alles verloren! Außerdem lag ihr daran, Catherine d’Aquitaine gefällig zu sein. Auf keinen Fall konnte sie ihren Aufenthalt bei Hofe gleich damit beginnen, der Herzogin eine Bitte abzuschlagen. So antwortete sie artig, sie wollte den Sängerwettstreit gern richten und bei dieser Gelegenheit gleich einige Ritter des Hofes kennenlernen. Bislang sei sie nie in dieser Gegend gewesen, nähme also nicht an, einem der Herren oder auch der jungen Damen bereits begegnet zu sein.
Die Herzogin verließ sie daraufhin voller Vorfreude auf die Einführung der neuen Hofdame, während Sabine sich eher unlustig wieder ankleiden und frisieren ließ.
Sabine wurde von den anderen Damen ebenso herzlich willkommen geheißen wie von der Herzogin selbst. Die älteren Frauen freuten sich über eine gebildete Gesprächspartnerin, die jüngeren bewunderten Sabines Schönheit und tuschelten darüber, ob sie wirklich die neue Herzensdame des Florimond d’Aragis sein könnte.
Catherine lobte Sabines neues bernsteinbesetztes Kleid, dessen Goldtöne ihr Haar glänzen ließ und das tiefe Blau ihrer Augen betonte. Aber auch Sabines Beiträge zur Entscheidung des Sängerwettstreits erfüllten die Ansprüche. Die beste Freundin der Herzogin, Claire de Valles, konnte sich kaum darüber beruhigen, wie fachkundig die junge Frau die Darbietungen der Sänger beurteilte.
»Dabei hörte ich doch, Ihr wäret an den freudlosen Höfen der Albigenser erzogen. Wie hieltet Ihr es dort nur aus ohne Musik und Tanz?«, fragte sie freundlich.
Sabine wunderte sich wieder einmal über die Unkenntnis der Kirchentreuen. Sie wusste, dass sie ein Risiko einging, wenn sie ihre Glaubensbrüder verteidigte, aber sie konnte das auch nicht so stehen lassen.
»Der Glaube an sich verbot den Katharern keine Zerstreuungen«, antwortete sie höflich. »Aber bedenkt, dass wir unter einer ständigen Bedrohung lebten. Da hat kein Ritter Zeit, sich neben dem Kampf im Lautespiel zu üben. Und kein Troubadour besucht eine
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