Melodie der Sehnsucht (German Edition)
weidete sich fast etwas böse an seiner Not, wenn er die Wölbung in seinem Beinkleid mit dem Körper der Laute verdeckte, wenn sein Liedervortrag atemlos war und wenn die Musik schließlich verklang, weil er nicht mehr denken konnte, sondern sich nur noch für sie verströmte.
Beide lebten für die seltenen Momente, in denen es ihnen sicher schien, das Boot an der Küchenpforte ins Wasser zu schieben und sich auf ihrer Insel der Glückseligkeit ohne Scham und Angst vor der Entdeckung zu lieben. Dabei kam es nie wieder zu Zwischenfällen – selbst wenn Barbe etwas ahnen sollte, würde sie kaum wagen, Jules noch einmal zu einer nächtlichen Exkursion zu überreden. So wurden die Liebenden langsam mutiger. Sie wanderten nackt wie Adam und Eva über die Insel und konnten sich nicht genug an der Schönheit ihrer Körper erfreuen. Florimond ermutigte Sabine, in das Wasser des Weihers einzutauchen – sie fürchtete sich zunächst, aber dann ließ sie sich überreden und wunderte sich, wie sommerwarm und zärtlich es sie umspülte. Florimond küsste und liebkoste sie im Wasser, und er brachte ihr bei, sich lang ausgestreckt auf die Oberfläche zu legen, sich zu entspannen und zu schweben. Manchmal ließen sie sich minutenlang so von den leichten Wellen wiegen, Hand in Hand, flach auf dem Wasser liegend und in die Sterne schauend.
»Könnten wir doch wirklich fliegen«, seufzte Sabine dann manchmal. »Könnten wir dem allen hier doch nur entfliehen und unserer Liebe leben. Könntest du doch nur für immer bleiben!«
Florimond hatte sie vorsichtig darauf vorbereitet, dass es ihm nicht möglich sein würde, für immer Wohnung auf der Burg des Herzogs zu nehmen. Zwar war er als Ritter so berühmt wie als Troubadour und gewöhnlich wäre es dem Herzog eine Ehre gewesen, ihn dauerhaft in Dienst zu nehmen. Dagegen sträubte sich jedoch Jules de Caresse, der immer mehr Einfluss bei Hofe gewann, da er die Ritterschaft des Herzogs langsam aber sicher zu einer so schlagkräftigen Truppe formte, dass Aquitanien in den Rang einer beachtenswerten kleinen Militärmacht aufrückte. Beim Turnier im Herbst versprachen seine Ritter zu glänzen, und der Herzog freute sich schon diebisch darauf, alten Feinden und Rivalen um die Gunst des Königs seine neue Stärke vorzuführen. De Caresse mochte jedoch keine Troubadoure – und zwar ganz unabhängig von der Beziehung, die Florimond zu seiner Gattin pflegte. Er musste inzwischen gehört haben, dass Sabine als seine Minneherrin galt, tat das aber als eine der typischen Albernheiten ab, mit denen Minnehöfe ihn zur Weißglut brachten. Gut, Ausnahmetalente wie Florimond d’Aragis konnten vielleicht Laute spielen und das Schwert führen. Aber De Caresse war davon überzeugt, dass der junge Ritter ein noch viel besserer Kämpfer wäre, würde er sich auf die Kriegskunst konzentrieren und seine Nächte nicht mit der Komposition von Liebesliedern verträumen. Solche Ritter an den Hof zu binden hielt er für überflüssig, ja gefährlich. Konnten doch andere auf den Gedanken kommen, Florimond verdanke die privilegierte Stellung auch dem Frauendienst. Dann hätte er die Ritter wieder schmachtend vor den Kemenaten – wo er hoffnungsvolle Talente wie Philippe d’Ariège doch gerade vom Rockzipfel der Herzogin entfernt hatte.
»Lass uns abwarten, was das Turnier bringt«, meinte Florimond beschwichtigend. »Wenn ich Sieger des Treffens werde, kann dein Gatte kaum etwas dagegen haben, wenn mir der Herzog ein Angebot macht.«
Der Ritter ließ allerdings offen, ob er gedachte, es anzunehmen. Natürlich wäre er liebend gern mit Sabine zusammengeblieben. Aber das entsprach nicht den Regeln der Höfischen Minne. Ein fahrender Ritter durfte eine Zeit lang seiner Herrin zu Füßen sitzen. Aber dann musste er auch wieder ausziehen und zu ihren Ehren ruhmreiche Taten begehen. Wenn nicht, machte er sich irgendwann verdächtig. Florimond gedachte also durchaus, den Hof des Herzogs nach dem Turnier für einige Monde zu verlassen und anderswo nach Ruhm und Ehre – und vielleicht auch finanziellem Erfolg – zu streben. Wenn Sabine und er überhaupt eine Zukunft haben konnten, dann nur nach dem Tode Jules de Caresses. Falls es Florimond bis dahin gelang, es zu einem eigenen Lehen, einem ordentlichen Landsitz und Vermögen, vielleicht auch einem von einem einflussreichen Fürsten vergebenen Grafentitel zu bringen, konnte er dann um die Witwe werben. Aber vorerst wirkte der Marquis noch nicht gebrechlich. Und
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