Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
dennoch gelegentlich der Betreuung durch eine Frau bedürfen. Und so hatte meine Mutter die Idee, mir eine Universalfrau zu bezahlen, die vielleicht keinen Gildenamen bekommt und nicht einem bestimmten Teil von mir zugeordnet wird, aber dennoch bereit ist, mir jederzeit, Tag und Nacht, in allen Funktionen zu dienen.
Ich halte dies für eine gute Idee. Und heute hörte ich nun, daß eine solche Frau gefunden worden ist und nächste Woche aus Jütland zu mir kommt. Sie heißt Emilia.
Im Winter, wie jetzt, ist hier alles ekelhaft trostlos, und die Langeweile, die ich an gewissen Tagen verspüre, versetzt mich in eine solche Wut auf die Welt, daß ich am liebsten ein Mann und Soldat wie mein Geliebter wäre, um jemanden mit der Lanze angreifen zu können.
Gestern waren ein paar Besucher hier: zwei davon Botschafter aus England und der dritte ein Elefant. Die Botschafter waren kränklich aussehende Männer, die nichts Interessantes taten und kaum ein paar Worte Dänisch oder Deutsch sprachen. Der Elefant jedoch war sehr unterhaltsam. Er konnte in die Knie gehen und tanzen. Er kam mit einer Truppe Akrobaten, die sich auf seinen Rücken und Kopf stellten und an seinen Beinen hochkletterten. Ich sagte zum König: »Ich möchte auf dem Elefanten reiten!« Und so trugen mich die Akrobaten (die klein aussahen, aber sehr stark waren) hinauf und setzten mich auf den Elefanten. Ich schwankte eine Weile herum und fand es phantastisch so hoch oben, während sie den Elefanten in einem kleinen Kreis herumführten. Von allen Fenstern Rosenborgs aus wurde ich beobachtet.
Doch natürlich forderten meine Kinder, als sie mich auf dem Elefanten sahen, mit viel Getöse, auch auf ihm zu reiten. Ich verbot es strikt und ließ mich von ihrem Jammern und Flehen nicht erweichen. Das ist das Hauptproblem mit Kindern: Man kann nichts tun, ohne daß sie es auch tun wollen, und dieser Nachahmungstrieb geht mir derart auf die Nerven, daß ich behaupten möchte, ich wünschte, ich hätte überhaupt keine Kinder, weil ich mich über alles, was sie tun, ärgern muß und mich erst wieder beruhige, wenn ich weit weg von ihnen und im Bett des Grafen bin.
Doch leider bin ich dort schon lange nicht mehr gewesen, sondern nur in meinem eigenen, wo ich von dem anderen geträumt habe. Es ist traurig, allein zu sein, doch ich kann es ertragen, weil ich mich auf das nächste Treffen mit meinem Geliebten freue. Was ich nicht mehr ertragen kann, sind die Gattenbesuche des Königs, und ich habe mich nun entschlossen, diese auch nicht mehr zuzulassen. So zeterte und schrie ich, als er letzte Nacht in mein Zimmer und Bett kam und versuchte, mir die Hand auf die Brust zu legen und sich an mich zu pressen. Ich behauptete, meine Brustwarzen seien wundgescheuert und mein ganzer Körper lädiert und müde, so daß man ihn nicht berühren dürfe. Ich dachte, er würde protestieren, denn wenn Männer lüstern sind, kümmert es sie nicht, wenn sie einem weh tun, doch statt dessen ging der König sofort weg und sagte, ihm täten meine Beschwerden leid und er hoffe, sie würden bei ein wenig Ruhe verschwinden.
Er ahnt nicht, daß dies keine Ruhe zuwege bringen kann. Auch wenn ich bis zum Frühjahr schliefe, würden sich meine Gefühle für ihn nicht ändern, und alle meine Anstrengungen müssen jetzt darauf abzielen, ihn mir gegenüber gleichgültig zu machen.
Das ist alles, was ich will. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es mir egal ist, wenn er mich aus Kopenhagen wegschickt, ja sogar, wenn die Zahl meiner Frauen eingeschränkt wird. Es macht mir nichts aus, wenn ich meine Kinder nie wiedersehe. Meine Zukunft liegt beim Grafen. Nichts und niemand sonst auf Erden bereitet mir soviel Vergnügen und Freude.
DIE AUFGABE
Peter Claire und Jens Ingemann kehren zum Speisesaal zurück, um auf die ersten Tagesbefehle zu warten. Der junge Lautenist nimmt mit seinen eiskalten Händen noch eine Schale heiße Milch entgegen.
Die anderen Musiker stellen sich vor: Pasquier aus Frankreich, Flötist, die Italiener Rugieri und Martinelli, Violinisten, sowie Krenze aus Deutschland, ein Violaspieler. Pasquier macht die Bemerkung, er hoffe, Peter Claire werde nicht weglaufen.
»Weglaufen? Ich bin doch gerade erst gekommen!«
»Englische Musiker laufen gern weg«, sagt Pasquier. »Carolus Oralli, der Harfenist, und John Maynard – beide sind von diesem Hof weggelaufen.«
»Aber warum denn? Was veranlaßte sie dazu?«
Rugieri meldet sich zu Wort: »Ihr werdet sehen«, sagt er,
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