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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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einem Mann, der die Natur seines eigenen Dilemmas nicht erkannt hat: Bei erhabener Musik entdeckt er, daß es möglich ist, alles Streben unter einer wunderbaren Ruhe zusammenzufassen, wodurch er Frieden findet. Ist es nicht so?«
    »Möglicherweise, Sir, wenn man einmal davon absieht, daß ich weiß, daß es Menschen gibt, denen die Musik keinen Trost zu spenden scheint.«
    »Vielleicht, weil sie keine Seelen haben? Vielleicht hat ihnen diese nach ihrer Geburt der Teufel gestohlen?«
    »Vielleicht …«
    »Oder sie ähneln Kindern, leben nur an der Oberfläche der Welt und glauben, es gebe nichts darunter?«
    »Oder sie haben nie wirklich erhabene Musik gehört?«
    »Daran habe ich noch nicht gedacht, doch es leuchtet mir ein. Sollte es mehr öffentliche Aufführungen geben? Was meint Ihr? Sind die Könige und Regierungen im allgemeinen mit Musik zu knausrig? Hätten wir eine größere äußere Ordnung, wenn die Leute im Waschhaus Lieder und in den Tavernen Pavanen hören könnten?«
    »Ihr könntet es ja einmal ausprobieren, Euer Majestät!«
    »Ja, das könnte ich. Viele unserer Bürger sind sehr traurig und verwirrt. Sie wissen nicht, wie sie auf der Welt sein sollen. Sie wissen nicht, warum sie leben.«
    Peter Claire weiß darauf keine rechte Antwort. Er senkt den Kopf und streichelt mit seinen langen Fingern den Hals und Körper seiner Laute. Der König trinkt den Rest des Wassers mit dem weißen Pulver, rülpst laut und stellt das Glas wieder hin. »Ich schlafe jetzt«, sagt er. »In der vergangenen Nacht habe ich kein Auge zugetan. Um halb fünf bin ich zu meiner Frau gegangen, um mich trösten zu lassen, doch sie schickte mich weg. Ich weiß nicht, was aus uns geworden ist.«
    König Christian hat immer noch nicht die »Aufgabe« erwähnt, die er dem Lautenspieler zugedacht hat, und da er sich jetzt zum Schlafen anschickt und Peter Claire dies als Wink nimmt, zu gehen und den König allein zu lassen, erhebt er sich. Einen Augenblick bleibt er zögernd am Bett stehen, und der König schaut zu ihm auf. »Nun zu Eurer Aufgabe«, sagt er dann. »Ich möchte, daß Ihr auf mich aufpaßt ! Ich kann Euch im Augenblick nicht sagen, ob es eine Aufgabe für kurz oder lang, eine große oder kleine sein wird, doch ich bitte Euch um diese Gunst, wie ich einen Engel darum bitten würde. Wollt Ihr das für mich tun?«
    Peter Claire blickt dem König ins breite, häßliche Gesicht. Er ist sich in diesem Augenblick bewußt, daß möglicherweise etwas von großer Bedeutung seinen Anfang nimmt und er am Ende vielleicht doch nicht vergebens nach Dänemark gekommen ist, wenn er auch nicht genau weiß, was dieses Etwas ist. Er würde König Christian sehr gern fragen, was er mit »auf mich aufpassen« meint, möchte jedoch nicht plötzlich begriffsstutzig und beschränkt wirken. »Natürlich werde ich das tun, Sir«, erwidert er.

KLAGE DER GRÄFIN O’FINGAL – AUS IHREM
TAGEBUCH MIT DEM TITEL »LA DOLOROSA«
    Ich bin die älteste Tochter von Signor Francesco Ponti, einem Papierhändler, unter dessen liebevoller Obhut ich mein Leben bis zum Alter von zwanzig Jahren verbrachte. Dann kam Graf O’Fingal in unser Haus und verliebte sich auf den ersten Blick in mich.
    Ich trug Weiß, und mein schwarzes Haar hing mir in Ringellocken ums Gesicht. Ich reichte dem Grafen O’Fingal, der zweiunddreißig Jahre alt war, die Hand, und als ich sah, wie er sie an die Lippen preßte, wußte ich, was in ihm vorging. Es dauerte keine drei Monate, da war ich seine Braut, und er brachte mich hierher auf sein Gut in Cloyne im Westen Irlands.
    Graf O’Fingal, den seine Freunde nur Johnnie nannten, war ein äußerst korrekter Mann, und ich will getreulich von seinem Anstand und seiner Güte mir gegenüber berichten. Er sprach leise und mit angenehmer Stimme und erteilte mir im ersten Jahr unserer Ehe geduldig Englischunterricht, wobei er liebevoll über meine Fehler lachte. Wenn wir auf Cloyne abends keine Gesellschaft hatten, las er mir aus Shakespeares Sonetten vor, wodurch mir viele dieser großen Werke in Erinnerung geblieben sind und mir jetzt in dieser traurigen Zeit Trost spenden.

    Am besten dient mein Auge blinzelnd mir;
    Denn unbeachtet geht der Tag an ihm vorüber:
    Allein im Schlaf, im Traume sieht’s nach dir
    Aus Nacht in Helligkeit, nachthell hinüber.

    Ich zweifelte nie an Johnnie O’Fingals Liebe und werde dies auch niemals tun. Etwas von dem, was er seine »Vision« von mir in Bologna nannte, blieb ihm immer erhalten, so daß

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