Melodie des Südens
einen Kopf auf den Schultern, sie ist nicht so eine dumme kleine Debütantin wie die anderen Mädchen.«
»Valentine, halt mir bitte keine Vorträge über Frauen«, bat Yves, dessen Gereiztheit sich in Mariannes flüchtigem Blick aufgelöst hatte. »Papa hat das alles schon vor Jahren erledigt, denke ich.«
Monsieur Chamard sprach weiter, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. »Die praktischste Lösung für Miss Mariannes Dilemma wäre es, wenn unser Freund William Tadman sich bereit erklären würde, als Eigentümer für die beiden zu fungieren. Dann könnten sie trotzdem bei Miss Ginny leben, aber mit Williams offiziellem Einverständnis, und vor allem unter seinem Schutz. Das wäre vollkommen legal.«
Yves konnte Mariannes Einwände schon im Voraus hören. Sie wollte die beiden frei lassen, nicht mehr und nicht weniger. Aber es ging nun einmal nicht, weder sie noch Luke und Pearl konnten ihren Willen haben, wenn sie bei Ginny bleiben wollten. Solange die Südstaaten ihre restriktiven Gesetze beibehielten, musste Marianne die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit respektieren. Sie konnte mit ihren Sklaven einfach nicht so verfahren, wie sie wollte. Und was noch schlimmer war, sie schien ständig zu vergessen, dass es sich um die Sklaven ihres Vaters handelte, nicht um ihre eigenen, und das Albany Johnston ebenso sehr auf die Sklaverei angewiesen war wie Bertrand Chamard.
Ein Leben mit Marianne würde keine einfache Sache werden, erkannte Yves. Aber genau das wünschte er sich. Vorausgesetzt, sie besaß genügend Geduld, um auf ihn zu warten. Seine Stimmung und seine Zuversicht waren schon wieder im Sinken begriffen. Er hatte ihr Vertrauen noch nicht einmal so weit gewonnen, dass sie ihm glaubte, was er ihr mit seinen Küssen sagen wollte.
Er warf wieder einen Blick über die Schulter. Diesmal sah sie ihn nicht an, sondern ritt neben dem Wagen und sprach mit Simone und Gabriel. Sie war keine Frau, die einen armen Mann heiraten würde, der im kalten Klima des Nordens von einem schmalen Journalistengehalt lebte.
Monsieur Chamard sprach ruhig weiter, während das Sattelleder dazu quietschte. »Du bist deiner Mutter sehr ähnlich, mein Sohn. Immer in Eile, immer ungeduldig. Lass ihr Zeit, sie kommt schon wieder.«
Aber so einfach war es nicht. »Papa, ich muss fort. Ich werde diese Stelle in New York annehmen.«
Monsieur Chamard nickte. »Damit habe ich gerechnet. Aber wenn du gehst, Yves, würde ich dir raten, bald zu gehen, bevor das politische Klima noch schlechter wird. Wenn sie dich hier erwischen … bei deinen politischen Ansichten … im Norden kommst du besser zurecht.«
Den Rest des Tages schlichen Yves und Marianne umeinander herum. Frustriert versuchte er noch einmal, neben ihr zu reiten, aber sie ließ es nicht zu; still, aber mit Nachdruck lenkte sie ihr Pferd von ihm weg. Mit rotem Kopf, wütend, peinlich berührt und verwirrt blieb Yves zurück. Er würde die Frauen nie verstehen, wirklich nicht. Er hatte doch nichts getan, was gegen ihren Willen verstieß.
Aber natürlich wusste er abseits aller Entschuldigungen ganz genau, was er mit Marianne angestellt hatte, und das schlechte Gewissen war nicht so einfach abzuschalten. Er hatte zugelassen, dass sie von ihm ernsthafte Absichten erwartete. Und die hatte er, nur konnte er sie nicht sofort in die Tat umsetzen.
Mit DuPree auf dem Schoß saß Pearl eingequetscht zwischen Miss Ginny und Luke auf dem Wagen. Sie war glücklich, die drei so nahe bei sich zu haben, ihre neue Familie, Miss Ginny als Großmutter, sie und Luke und DuPree. Sie drückte Lukes Arm an sich. Er konzentrierte sich auf die Pferde und die Zügel, nachdem er noch nie einen solchen Wagen gelenkt hatte, aber sie kannte seine Gefühle. Er war genauso froh wie sie. Er konnte es nur noch nicht ganz glauben.
Die Nacht verbrachten sie unter freiem Himmel. Ein kleiner Schauer ging kurz vor Tagesanbruch auf sie nieder, und Pearl machte sich Sorgen, DuPree könnte sich erkälten. »Gib ihn mir«, flüsterte Luke. Er nahm den kleinen Kerl, hielt ihn an seiner breiten Brust warm und schützte ihn vor dem Regen. Bei jeder freundlichen Geste, die Luke DuPree zukommen ließ, dankte Pearl Gott. Gott war gut zu ihnen, und sie wusste es.
Luke machte ein großes Feuer, um trocken zu werden und das Frühstück vorzubereiten. Pearl mischte Maismehl und Wasser, um Kuchen im Speckfett zu braten, während Miss Marianne sich um DuPree kümmerte. Sie hatte beobachtet, wie kühl Missy den ganzen
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