Melodie des Südens
gerufen?«
»Ich glaube, dein Vater.«
Yves legte ihr die Hände an die Wangen und küsste sie noch ein letztes Mal. »Ich bete dich an«, flüsterte er.
Marianne, vollkommen überwältigt von seiner Zärtlichkeit, schluckte die Tränen herunter und lächelte ihn an, während sie eine Haarsträhne zurück hinters Ohr schob. Sobald sie wieder ruhig atmete und klar denken konnte, reichte er ihr seinen Arm.
26
Am nächsten Morgen verkaufte Marianne im Büro des Notars Luke und Pearl für je einen Dollar an Mr Tadman. Im Austausch dafür, dass Mr Tadman seinen beiden neuen Sklaven ein unabhängiges Leben gestattete, verlangte er von Luke pro Jahr einen Maiskolben, eine Wassermelone und einen Korb mit Okraschoten. »Das sieht dann offizieller aus«, sagte er, »falls mal jemand fragt.«
Marianne unterzeichnete die Papiere mit freudigem Schwung, und damit war die Sache erledigt. Luke, Pearl und DuPree gehörten jetzt William Tadman, aber sie konnten auf einer Farm ohne Aufseher leben und lieben, ohne dass ihnen jemand die Früchte ihrer Arbeit nahm – abgesehen von einer Wassermelone, einem Korb Okra und einem Kolben Mais. Näher konnten sie der absoluten Freiheit derzeit nicht kommen.
Zurück auf der Hauptstraße überließen Monsieur Chamard, Yves und Gabriel die Damen ihren Einkäufen. Sie wollten noch ein Maultier und Zaumzeug für Luke erstehen, damit er auf der Farm bei Ginny ein Arbeitstier hatte.
Miss Ginny blieb mit Luke und Pearl bei den Tadmans, sodass Marianne und Simone allein losgingen. Als sie den Laden betraten, erklärte Simone: »Ich werde diesen Wagen bis zum Rand füllen bevor sie zurück zu Miss Ginny fahren.«
Marianne lächelte ihr zu. Wenn Miss Ginny nicht gewesen wäre, hätten sie Gabriel verloren, und Luke und Pearl hätten nach Magnolias zurückkehren müssen.
Sie warf einen Blick in ihre nahezu leere Geldbörse. »Ich gebe erst einmal den Rest meines Geldes aus, dann helfe ich dir, deins auszugeben.«
Marianne nahm drei Ballen Stoff, Nähnadeln, Faden und Stecknadeln. »Mehr Geld habe ich nicht mehr.«
Dann führte der Kaufmann Simone herum, und sie deutete auf Strohhüte, Strümpfe, Mehl und Essig, auf Sackleinen, Segeltuch, Blechteller und Becher, auf Decken, Reis, Bohnen, ein Fässchen sauer Eingelegtes, einen Räucherschinken … alles, was sie sah und für nützlich hielt.
»Was brauchen sie noch?«, fragte sie zwischendurch.
»Ginny hat ein Schrotgewehr, aber Luke könnte ein gutes Gewehr und Munition brauchen, um auf die Jagd zu gehen. Und ein Messer.«
Simone wandte sich an den Kaufmann. »Haben Sie Gewehre?«
»Ja, Madam, Gewehre, Pistolen, Schrotflinten, was Sie wollen.«
Als sie den Kaufmann richtig reich gemacht hatten, fuhr Luke den Wagen vor dem Laden vor. Statt der zwei Pferde, die ihn bis hierher gezogen hatten, war jetzt ein gut aussehendes Maultier vor die Deichsel gespannt.
Während der Wagen beladen wurde, lehnte Gabriel sich auf seine Krücke und reichte Miss Ginny die Hand. Simone nahm ebenfalls Abschied.
Plötzlich legte Pearl Marianne eine Hand auf den Arm. »Ich muss Ihnen noch was sagen, Missy.« Marianne entfernte sich mit ihr ein paar Schritte von den anderen. »Das haben Sie gut gemacht, Missy, und der Herr wird es Ihnen lohnen, in diesem Leben oder im nächsten. Und was Luke und mich angeht … man kann es gar nicht erklären, ich sage Ihnen nur danke, Miss Marianne.« Dann küsste sie Marianne auf die Wange, und Marianne umarmte sie.
»Und noch eins«, fuhr Pearl fort. »Mr Yves. Er hat das für mich und Luke getan, um Ihnen eine Freude zu machen.«
Marianne drehte sich um und sah Yves an, der die Vorräte gleichmäßig im Wagen verteilte, damit dieser keine Schlagseite bekam. Sie liebte den Anblick seines langen, schlanken Körpers, während er sich über die Säcke mit Mehl und Bohnen beugte. Beim Frühstück hatte er immer wieder ihre Hand oder ihren Arm berührt und sie damit so erregt, dass alle ihre Sinne auf ihn ausgerichtet waren. Jetzt sah sie, wie der Wind durch sein Haar strich, wie er die Arme bewegte, als er ein Fässchen rollte, sie spürte sogar den schwachen Duft seiner Seife. Ihre Haut spürte jeder seiner Berührungen nach.
Pearl zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Er ist der beste Mann, den ich jemals gesehen habe, und er hat das alles für Sie getan. Sie dürfen nicht mehr so stur sein, Sie dürfen nicht mehr böse auf ihn sein.«
Marianne lachte und wurde rot. »Ich bin ihm nicht mehr böse.« Sie sah zu den
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