Melodie des Südens
doppelläufigen Schrotgewehr und schob zwei Patronen hinten in den Lauf.
Charles war in der Tür erschienen. »Miss Marianne, was tun Sie da? Kommen Sie, geben Sie mir das.«
Sie drängte sich ohne Erklärung an ihm vorbei. Auf keinen Fall würde sie dieses Gewehr abgeben, niemandem. Sie marschierte zurück in die Unterkünfte, ohne die Tränen zu bemerken, die ihr übers Gesicht liefen, und ohne die Aufregung zu bemerken, die ihr Auftauchen bei den Menschen auf dem Weg verursachte.
Am Prügelpfahl angekommen, zogen die mörderischen Hunde, von den klagenden Lauten ganz aufgeregt, schon an ihren Ketten, schnappten und knurrten.
Zitternd, mit hochrotem Kopf und stahlfarbenen Augen blieb Marianne drei Meter vor den Hunden stehen, hob das schwere Jagdgewehr und zielte. Sie zog beide Abzüge gleichzeitig durch.
Der Stoß warf sie zu Boden, der Lärm schien von allen Seiten zu kommen und ewig weiterzuhallen.
Gabriel kniete neben ihr. Er versuchte nicht gleich, sie auf die Beine zu bringen, sondern ließ sie erst wieder zu Atem kommen, ließ ihr Zeit zu begreifen, was geschehen war. Als sie bereit war, half er ihr auf die Füße. Das Zittern war vergangen, sie war wieder ganz ruhig und gelassen. Die Hunde sah sie nicht mehr an.
Das Jagdgewehr ihres Vaters lag auf der Erde, sie würde es reinigen müssen. Sie bückte sich, um es aufzuheben. Ihr Vater verstand keinen Spaß, wenn es um seine Waffen ging. Ob sie wohl noch wusste, wie man es zerlegte und wieder zusammensetzte?
Seltsam, diese Stille. Vielleicht hatte sie durch den Lärm des Schusses ihr Gehör verloren. Die Menschen beobachteten sie. Da McNaught nicht da war, hatten sie sich von den Feldern gewagt, jedenfalls die, die nahe genug waren, als sie die Klageschreie gehört hatten.
Gabriel Chamard reichte sie an Charles weiter, der ihnen vom Haus her nachgelaufen war. »Kommen Sie mit, Missy«, sagte der alte Butler zu ihr. »Ich bringe Sie nach Hause.«
Marianne ließ zu, dass er ihren Arm nahm und sie wegführte. Das Gewehr trug sie in ihren Armen. Hatte Vater ihr das beigebracht, das Gewehr so zu tragen? Sie erinnerte sich nicht mehr, und es war ihr auch gleichgültig. Jetzt war es leer, eine leere Hülle wie Sylvies Körper.
7
Yves Chamard ging nicht gern zum Angeln. Was für eine verdammte Faulenzerei, da zu sitzen, eine Angelschnur ins Wasser zu halten und darauf zu warten, dass irgendetwas passierte. Vor einer Weile hatte er einen Alligator im Bayou gesehen, aber er hatte sein Gewehr nicht bei sich.
Er warf einen Seitenblick auf seinen Bruder. Marcel besaß die Gabe, stillsitzen zu können. Worüber dachte er wohl nach, wenn er stundenlang müßig herumsaß? Vielleicht über Gedichte. Worüber Adam nachdachte, konnte Yves sich vorstellen. Er hatte Nicolette nicht erwähnt, seit sie den See verlassen hatten, aber offensichtlich war er schwer verliebt in sie. Meine kleine Schwester, dachte Yves, zwingt die Männer in die Knie. Aber Adam Johnston war nicht der Richtige für sie. Er war der Cousin seines Bruders, er war sein Freund, aber er war nicht der richtige Mann für Nicolette. Aber ob sie das auch wusste?
Ein Fisch zupfte an seiner Angel und sprang dann hoch. »Wurde aber auch Zeit«, murmelte er. Er bewegte die Angelrute, ließ den Fisch so lange kämpfen, wie er konnte, und zog ihn dann an Land: einen schönen Barsch. »Zwei Pfund wird er schon haben, oder was meint ihr?«
»Wenn du es sagst«, neckte Adam ihn. Er steckte seine Beute in den Bottich zu den anderen Fischen. »Sollen wir nicht ein paar davon braten, bevor wir zurückreiten?«
Marcel grinste. »Wer nimmt sie aus?«
Yves hasste diese Arbeit, aber er wusste, er war an der Reihe. »Hat jemand Mehl mitgebracht? Und eine Pfanne?«
»Klar.«
»Öl?«
»Auch das, ja. Fang schon mal an«, sagte Adam, »dann sorge ich fürs Feuer.«
Die Herren waren heute früh ganz unter sich. Befreit von den Anstandsregeln, die die Anwesenheit einer Dame mit sich brachte, hatten sie die Jacketts zu Hause gelassen und es sich in kragenlosen Baumwollhemden mit hochgerollten Ärmeln gemütlich gemacht. Yves nahm die sechs Fische aus, die sie gefangen hatten, und schuppte sie. Seiner war der größte, bemerkte er befriedigt und lächelte in sich hinein, als er sich dabei ertappte, dass er immer noch seinen großen Bruder ausstechen wollte.
Adam sammelte Holz und machte ein Feuer. Marcel war anerkanntermaßen der beste Koch unter ihnen, also war es seine Aufgabe, den Fisch zu panieren und in das
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