Melodie des Südens
passiert, wenn er genug Sonne abkriegt. Und wenn er nicht dunkel genug wird, hat er Pech gehabt.«
Die Flößer brachten die drei Gefangenen zum hinteren Rand des Floßes, wo die anderen bereits angekettet waren. »Zieht dem ulkigen Kerl das Hemd aus!«, brüllte Monroe übers Deck.
Gabriel und Hunter wurden angekettet, aber damit war die Kette für die Handgelenke in ihrer Länge erschöpft, und kein Schieben und Drängen konnte sie so lang machen, dass George noch hineinpasste.
»Na, wo soll er schon hin«, sagte ein Weißer, der kaum noch Zähne im Mund hatte. Er zeigte mit dem Finger auf George. »Setz dich da hin und rühr dich nicht.«
George war wie benommen. Er zitterte, aber seine Augen schienen Gabriel nicht zu erkennen.
Die Unglücklichen rührten sich kaum an diesem glühend heißen Tag. Gabriel war froh, dass keine Kinder unter ihnen waren, denn die hätten die Hitze und den Durst kaum ertragen. Außerdem wagte er kaum, sich vorzustellen, was die Flößer mit einem Kind angestellt hatten, das Schwierigkeiten machte. Die Männer und Frauen litten schweigend, schwitzten, bis ihre Körper kein Wasser mehr hergaben, und warteten, dass man ihnen etwas zu trinken brachte. Was nicht geschah.
Den schlammigen Fluss nur einen knappen Meter unter sich, beobachtete Gabriel die Strömung aufmerksam. Er konnte ganz gut schwimmen, in einem Bayou, einem See oder einem Fluss, aber diese enorme Wassermasse überwältigte ihn. Während die Stunden dahingingen, während seine Haut schmerzte und die Sonne immer weiter auf ihn herunterbrannte und ihm alle Flüssigkeit aus dem Leib zog, wurde die Furcht vor dem Fluss nebensächlich. Er stellte sich vor, seinen ausgetrockneten Körper in den Fluss zu stürzen und sich satt zu trinken, bevor er ertrank.
Am späten Nachmittag brach George zusammen. Er schluchzte trocken vor sich hin und zitterte grauenhaft. Vermutlich hatte er Frau und Kinder auf Toulouse, dachte Gabriel. Und er würde sie möglicherweise nie wiedersehen. Gabriel streckte die Hand nach George’ Schulter aus und zog dabei weitere Hände mit sich hoch. Er ließ die Hände wieder nach unten sinken.
»George«, flüsterte er heiser, während er die müßigen Flößer wachsam betrachtete. »Halt durch, Mann! Sie werden doch nach uns suchen. Madame DeBlieux schickt eine Suchmeldung raus, sobald sie mitbekommt, dass wir entführt worden sind. Wir kommen wieder nach Hause.«
Hunter schüttelte den Kopf. »Nein, Monsieur, wir sind auf dem Markt in New Orleans, bevor sie überhaupt mitbekommt, dass wir weg sind.«
Gabriel sah ihn ungeduldig an. »Wir haben allen Grund, die Hoffnung nicht sinken zu lassen. Ich bin ein freier Mann. Und ich bringe euch wieder nach Hause.«
Entweder hatte George sie nicht gehört, oder er hörte einfach überhaupt nicht mehr zu. Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck schob er sich immer näher an den Rand des Floßes. Gabriel begriff, was er vorhatte, und versuchte, nach ihm zu greifen, aber die Kette behinderte ihn. Trotz seiner gefesselten Hände ließ sich George über den Rand des Floßes in die Strömung des Mississippi gleiten.
Gabriel schrie: »Holt ein Seil! Mann über Bord! Holt das Boot!« Zwei der Flößer ließen ihre Spielkarten sinken, standen auf und kamen an den Rand geschlendert.
»Hol doch mal einer ein Seil«, sagte der Mann, den sie Wilson nannten, ohne irgendein Anzeichen von Aufregung. Ein Mann ging hinüber zu den Seilen und fummelte an dem längsten Stück herum. Inzwischen beobachteten seine Kumpane George, der im Wasser strampelte, zehn Fuß hinter ihnen, dann zwanzig, schließlich dreißig.
»Holt ihn raus, verdammt!«, brüllte Gabriel. Er versuchte, George ins Wasser zu folgen – schließlich konnte er so gut schwimmen, dass er ihn herausziehen konnte –, aber die Kette aus Menschen und Metall hielt ihn an Bord.
Der Mann mit dem Seil kam zurück und begann ein Lasso zu binden, um es zu werfen. George, der nun darum kämpfte, über Wasser zu bleiben, ging unter, kam mit ausgestreckten Händen wieder hoch, und dann versank er ein letztes Mal.
Wilson schob den Kautabak von einer Backe in die andere, spuckte einen Strahl Tabaksaft in den Fluss und ging zurück zu seinen Karten.
Gabriel starrte in die alles verschlingenden Wasser des Mississippi.
13
Marianne kam nach einem Spaziergang in der Abenddämmerung ins Haus zurück, als Charles sie an der Tür abpasste.
»Sie haben Besuch, Miss Marianne. Jemand von Toulouse, ein gewisser Mr
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