Melodie des Südens
abkürzen, um die anderen zu warnen, denn auf dem Weg durch den trockenen Mais hätte sie so viel Lärm gemacht, dass sie ebenso gut schreien und rufen könnte. Jetzt sah sie den Mann nicht mehr. Sie hielt den Atem an, lauschte, wartete. Wahrscheinlich war er zurückgegangen, um die anderen zu holen.
Als sie sicher war, dass er fort war, trat sie aus dem Feld auf den Weg zurück und rannte zum Wagen. »Joseph!«, zischte sie. Er war sofort wach. »Sie haben uns entdeckt, wir müssen weg.«
Leise weckte er die anderen. Marianne holte die Maultiere. Nein, das war keine gute Idee, sie würden den Reitern niemals entkommen. Sie würden schauspielern müssen, ein Bild der Unschuld.
Sie lief zurück zum Wagen. »Pearl, bleib, wo du bist. Joseph, wir verstecken die drei im Mais, und dann tun wir so, als ob wir unterwegs vom Einbruch der Nacht überrascht worden wären.«
Die drei Flüchtlinge standen jetzt auf dem Weg. Bess stützte sich schwer auf Elvin. Marianne blickte im Mondschein um sich. Es gab jede Menge Gebüsch, aber der Mais sah dichter aus. »Dort hinüber!«
Das Rascheln und Quietschen der Maisstängel war laut wie Donner, als die drei in das Maisfeld gingen, aber nach sieben, acht Metern legte sich das Geräusch. Sie hatten ein gutes Versteck gefunden.
Joseph stieg wieder auf den Wagen. »Tu so, als ob du schläfst«, flüsterte er Pearl zu.
Marianne kletterte auf den Kutschbock und legte sich hin. Dann setzte sie sich wieder auf und griff nach ihrer Flinte, die immer noch geladen war. Sie legte sich hin, breitete ihren Rock über die Flinte und hakte ihren Finger in den doppelten Abzug ein.
Was würde ihr die Flinte schon nützen? Sie konnte die Männer schließlich nicht niederschießen. Hunde, ja, das hatte sie schließlich bewiesen, aber Männer? Und sie waren zu viert, mit vier Gewehren.
Jetzt konnte nur noch Gott helfen.
16
Vielleicht hatte der Mann den Wagen ja gar nicht gesehen. Vielleicht hatte er ja gar keine Verbindung zu den Männern im Haus. Vielleicht war er ja nur unterwegs, um Waschbären zu jagen. Sie ließ den Finger am Abzug, aber allmählich ließ ihre Anspannung nach.
Vielleicht war das ja alles unnötige Panik. Die harte Kutschbank drückte ihr in die Schulterblätter, sie konnte keinen Augenblick länger liegen. Marianne setzte sich auf.
Vier Männer standen rund um den Wagen. Sie hatte sie überhaupt nicht gehört.
»Was wollen Sie von uns?«, fragte Marianne. Sie war die Tochter von Albany Johnston, einem wohlhabenden, einflussreichen Plantagenbesitzer, und sie wusste recht gut, wie man einen überheblichen Ton anschlug.
»Jetzt kannst du die Laterne anmachen, Wilson«, sagte einer der Männer.
Bevor das Streichholz angezündet war, überprüfte Marianne, ob ihr Rock die Flinte gut verdeckte. Das plötzliche Aufflammen des Dochtes an der Petroleumlampe tauchte alles rundum in Dunkelheit, aber immerhin konnte sie jetzt die Gesichter der Männer sehen. Ihr Herz klopfte wie wild, aber sie wollte bluffen wie diese Falschspieler auf den Raddampfern.
»Meine Herren, Sie dringen ungebeten hier ein. Meine Dienstboten und ich verbringen hier die Nacht, und Ihre Gegenwart ist ungehörig und nicht willkommen.«
»Ist das so?« Der größte der vier Männer hatte gesprochen. Er war groß und sehr schlank. »Ich muss mich doch sehr wundern, was eine Lady wie Sie hier draußen auf den Feldern tut, wo sie doch eine Meile die Straße runter an einer Farm vorbeigefahren sind. Warum haben Sie nicht angehalten, um dort die Nacht zu verbringen?«
»Es waren mehrere Pferde dort angebunden, es war also klar, dass die Leute auf der Farm bereits jede Menge Gesellschaft hatten.«
Ein anderer Mann mit Kautabak in der Wange blickte in den Wagen und starrte Pearl und Joseph an. »Kommt mal runter, ihr zwei.«
»Wagen Sie es nicht, meine Sklaven anzusprechen, Sir.«
Der Mann hob das Gewehr. »Ich wage alles, wozu ich verdammt noch mal Lust habe, Lady. Ist doch so, Monroe?«
Sie stand auf, fast sicher, dass ihre Flinte auch jetzt noch zwischen den Falten ihres Rockes verborgen war. »Joseph, Pearl, kommt bitte vom Wagen, damit die Männer sehen können, dass ihr nicht die Flüchtlinge seid, die sie offenbar verfolgen.«
»Sie glauben, wir sind hinter Flüchtlingen her?« Der große Mann namens Monroe grinste sie an. »Wie kommen Sie denn darauf?«
Sie hätte sich die Zunge abbeißen können. Vielleicht waren sie ja auch einfach nur Räuber. Warum hatte sie nicht daran gedacht?
Wilson, der
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