Melodie des Südens
wollen doch nicht, dass er wegläuft.«
Marianne starrte den letzten Toten an. »Joseph, wir haben drei Menschen umgebracht.«
»Ja, Madam, das haben wir. Es musste sein.«
Sie würden ins Gefängnis kommen. Es konnte sogar sein, dass man sie hängen würde. Nicht Pearl, nicht Joseph, sie und Yves. Sie waren die Mörder. Sie war eine Mörderin.
Joseph blickte sie im Laternenlicht scharf an. »Hören Sie auf zu grübeln, Missy. Sie haben nur getan, was sie mussten. Wenn Sie nicht geschossen hätten, wäre Pearl jetzt tot.«
Yves und ein großer Mann mit Vollbart und einem schwarzen Hut kamen im Mondlicht den Feldweg herauf. Sie beobachtete ihn, Yves Chamard, der sie im Arm gehalten hatte, als sie geweint hatte. Sie wünschte sich so sehr, er würde sie auch jetzt im Arm halten.
Der andere Mann hob kurz den Hut. »Ebenezer Rogers.«
»Das ist der Mann, den ihr gesucht habt«, sagte Yves. »Er leiht uns seine Schaufeln und stellt uns ein Stück Grund zur Verfügung.“
Die Männer nahmen die Laternen, die Schaufeln und den letzten Toten mit und gingen durch die Bäume weg. Marianne wartete, beobachtete, wie der Mond den höchsten Punkt seiner Bahn überschritt und allmählich wieder Richtung Horizont sank.
17
Bei Tagesanbruch waren sie im Haus, wo die Frau des Farmers, Eleanor, heißen Kaffee gekocht hatte. Pearl half ihr beim Auftragen von Schinken, Maisgrütze, Kuchen und Bohnen in Soße.
Yves ging mit seiner zweiten Tasse Kaffee auf die hintere Veranda, um zu beobachten, wie der Morgennebel in den Baumwipfeln waberte. Er war in Hemdsärmeln und stützte sich mit ausgestrecktem Arm gegen einen Pfosten. Marianne stand einen Augenblick in der Tür und betrachtete ihn. »Schön hier«, sagte er plötzlich, ohne sich umzudrehen.
Sie trat auf die Veranda und stellte sich neben ihn. Noch gestern hätte sie ihn angefahren, weil er sich eingemischt hatte, als sie Monroe bereits so weit hatte, dass er mit seinen Männern abgezogen wäre. Männerart, immer zu glauben, ihr Heldentum sei nötig. Nach den Erlebnissen der vergangenen Nacht war sie aber nicht mehr so schnell mit einem Urteil zur Hand, und so sagte sie ohne Anklage, nur fragend: »Weißt du, dass die Männer gerade dabei waren, zu gehen?«
»Da irrst du dich.« Er blickte zu ihr herunter. »Du erinnerst dich an den Kerl, der auf einmal verschwunden war? Den hat Elvin geschnappt, weil er in das Maisfeld gegangen war. Er hatte wohl den Jungen gehört.«
Dann hätten die Sklavenjäger Elvin und Bess und Clem erwischt. Und Joseph und Pearl hätten sie auch mitgenommen. Und sie läge jetzt vermutlich tot im Maisfeld.
»Ich danke dir.«
Er lächelte. »Bitte schön.«
»Du bist hier kein Fremder, nicht wahr?«
»Nein.«
Während des Frühstücks hatte Marianne alle Bruchstücke zusammengefügt, die sie erfahren und beobachtet hatte. »Du bist der, den sie den Hirten nennen.«
Er sah sie mit seinem üblichen schiefen Grinsen an. »Ich weiß nichts von einem Hirten.«
Und sie hatte gedacht, es könnte Marcel sein. Dabei war Yves der Mann, der im Untergrund arbeitete.
Es begann leicht zu regnen. Ihr Gastgeber gesellte sich zu ihnen. »Wenn es noch ein bisschen weiterregnet, sieht man draußen auf dem Feld bald nichts mehr.«
Ihr Gefangener, Sonny, bekam kein Frühstück. Soweit sie wussten, hatte er das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Sie hatten ihn im Maisschuppen eingesperrt und die zahme Kornnatter des Farmers bei ihm gelassen. An den Handgelenken war er gefesselt, die Fußknöchel hatten sie ihm locker zusammengebunden, damit er sich bewegen, aber nicht weglaufen konnte.
»Was machen wir jetzt mit dem Mann? Wird er Geld annehmen und sich davonmachen, ohne etwas zu verraten?«, fragte Marianne. Am liebsten wäre es ihr gewesen, er wäre einfach verschwunden, froh, dass er mit dem Leben davongekommen war.
Yves und Ebenezer schauten sich an. »Selbst wenn er das behaupten würde, traue ich ihm nicht mehr als einem tollwütigen Stinktier«, sagte Eb.
»Mit Sonny Birch sind wir noch nicht fertig«, bestätigte Yves.
»Du kennst ihn?«
»Ich verfolge diese Männer seit drei Tagen. Gestern Abend habe ich sie hier endlich eingeholt.«
»Was waren das für Männer?«
»Das sind die Kerle, die meinen Bruder entführt haben.«
Marianne konnte nur staunen, wie seine Augen, die sie eben noch so zärtlich angeblickt hatten, plötzlich einen stahlharten Ausdruck annahmen.
»Ich will erst mal herausfinden, was Birch weiß, bevor ich ihn dem Sheriff
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