Melodie des Südens
trotz aller Arzneien, die Marianne nach ihren medizinischen Büchern zubereitete. Aus seinen Wunden sickerte Verwesung, und er wurde immer seltener wach.
Marianne wagte kaum noch, ihn zu verlassen, und verbrachte den Nachmittag, den Abend und die Nacht an seinem Bett. Irgendwann vor Sonnenaufgang legte sie sich auf die staubigen Dielen, um ein paar Minuten auszuruhen. Aus Furcht vor den Wanzen vermied sie es, sich auf eine der vier anderen Pritschen in der Hütte zu legen. Es war eine Junggesellen-Hütte. Wo wohl die anderen jungen Männer heute Nacht schliefen?
Als sie erwachte, hatte Lena ihr die Schuhe ausgezogen und ihr einen zusammengerollten Futtersack unter den Kopf geschoben. Die Kerze brannte noch und warf ihren gelblichen Schein über die gebeugte alte Frau, die neben Peters Bett kniete und ihre Hände verzweifelt rang, während sie betete.
Lenas flüsterndes Flehen zu Gott durchdrang die Hütte, und Marianne fühlte nach Peters Haut. Heiß und trocken. Sie hatten das Wasser und die Absude verbraucht, die sie für die Nacht bereitgestellt hatten. Marianne zog ihre Schuhe an, griff nach dem Eimer und trat vor die Hütte.
Ein Schnarchen aus der dunklen Ecke der Veranda erschreckte sie. »Wer ist da?«
Mit einem Schnauben erwachte der Mann und ließ seinen nach hinten gekippten Stuhl zurück auf den Boden fallen.
»Charles? Was machst du denn hier?«
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Der Herr würde nicht wollen, dass Sie die ganze Nacht allein hier draußen sind.« Er rieb sich den Nacken. »Zu dieser Jahreszeit kommen manchmal Fremde hier vorbei.«
»Fremde?«
Charles stand auf und ragte wie ein Riese neben ihr auf. Ein imponierender Mann, auch jetzt noch, mit grauen Strähnen in seinem krausen, kurzen Haar. Marianne erwartete, dass er weitererklärte, aber er starrte nur hinaus auf den mondbeschienenen Hof und schüttelte den Kopf. Dann nahm er ihr den Eimer aus der Hand.
»Wovon sprichst du?«
»Nur die Träume eines alten Mannes, Miss Marianne. Ich hole Ihnen Wasser.«
Als Charles mit dem Eimer zurückkam, weckte sie Peter, damit er etwas trank. Lena saß auf dem Boden, Kopf und Arme auf die Matratze mit der Füllung aus Maisblättern gelegt, und schlief endlich ein bisschen.
Sie ist zu alt, um die ganze Nacht aufzubleiben, dachte Marianne. Und der andere Enkel ist ja auch fort, John Man oder wie sie ihn nennen. Sie fragte sich, ob Lena noch Töchter hatte, die sich um sie kümmerten, oder weitere Enkel, die ihr helfen konnten, den Verlust zweier Enkelsöhne zu ertragen. Aber Peter war noch nicht verloren, rief sie sich zur Ordnung. Vielleicht brachten sie ihn ja doch durch.
Als die Sonne aufging, stöhnte Peter und warf den Kopf von einer Seite zur anderen, während das Fieber sein Hirn marterte. Mit weit offenen Augen schrie er: »Sie kommen, lieber Gott, hilf mir!«
Marianne versuchte, beruhigend auf ihn einzureden. »Peter, du bist in Sicherheit! Es ist nur ein Traum.« Aber sie drang nicht zu ihm durch. Erst seine Großmutter konnte ihn ein wenig beruhigen. Lena hielt seinen Kopf und küsste sein Gesicht. »Petie, mein Junge«, sagte sie leise. »Es ist vorbei. Die Hunde kriegen dich nicht mehr.«
Seine Augen wurden klar, und Marianne konnte sehen, dass er seine Großmutter erkannte, dass er wieder wusste, wo er sich befand. Sein Gesicht verzog sich, und Schmerz und Trauer ließen tief in seiner Brust Schluchzer entstehen. Lena zog ihn an ihren Busen und wiegte ihn hin und her.
Marianne schlug eine Hand vor den Mund, um das Weinen zurückzukämpfen. Der Fieberwahn, Lena, die Peter wiegte – der Anblick ließ sie an den Tag denken, als ihre kleine Schwester gestorben war. Ihre Mutter hatte die dreijährige Elizabeth genauso festgehalten wie Lena Peter hielt, sie hatte sich an sie geklammert und wollte sie nicht gehen lassen. Aber alle Bemühungen des alten Dr. Benet waren nutzlos gewesen. Und nur wenige Monate später war ihre Mutter auch gestorben. Der Verlust schmerzte noch immer, auch noch nach sieben Jahren.
Sie trat hinaus auf die Veranda, lehnte sich an einen Pfosten und gab der aufsteigenden Trauer nach. Sie hatte so lange nicht mehr um ihre Mutter geweint, und nun schien der Verlust ebenso frisch wie Lenas Furcht. Und sie trauerte mit ihr. Sie hatte Angst um Peter, und sie war voll von ohnmächtigem Zorn. Sein Fuß, sein Bein, seine arme verstümmelte Hand. Was diese Hunde ihm angetan hatten … und die Männer hatten sie nicht daran gehindert … Selbst wenn er
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