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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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zu wissen, dass ich vielleicht
gut zu euch passen würde.”.
    „Du
solltest aufhören in so einem Schwarz-Weiß Muster zu denken. Sicher
hat jede Seite ihre Vor- und Nachteile. Aber man muss auch einfach
wissen, wo man hingehört.”.
    „Ich
kann da jetzt nichts zu sagen, Alfred. Es geht einfach zu schnell...
und du bist sehr direkt.”.
    „Das
ist einfach meine Art und was hilft es lange um den heißen Brei zu
reden. Ich biete es dir an und ich kann mir nicht vorstellen, dass du
nicht darüber nachdenkst. Habe ich Recht?”. Ich sehe ihn einfach
nur an und blicke dann zu Boden. Er meinte gestern zwar noch, dass er
mich beneiden würde, aber im Grunde ist es andersherum. Ich beneide
ihn nicht unbedingt für seine Grausamkeit, vielmehr darum, dass er
frei ist zu tun und zu lassen, was er möchte. Jedenfalls hat es den
Anschein.
    „Ich
rede noch mit dir, oder?”, woraufhin er wissend grinst. Ja, er weiß
genau, dass er es geschafft hat mich zum Nachdenken zu bringen.
    „Möchtest
du morgen wieder nach London?”.
    „Ich
denke schon, es wird Zeit.”, doch meine Stimme klingt fast schon
etwas enttäuscht. Kein Wunder, ich erwarte keine freundliche
Begrüßung.
    „Sie
werden dich fragen, wo du warst.”.
    „Ich
weiß.”.
    „Was
wirst du also sagen?”.
    „Ich
war Golf spielen.”, er lacht kurz leise.
    „Ja,
tue das. Mal sehen, ob sie es dir abkaufen... und falls nicht...”,
er kramt in seinem Jackett und reicht mir schließlich eine
Visitenkarte. Nur eine Nummer ist aufgedruckt, kein Name, keine
Adresse.
    „Danke.”.
    „Ich
werde dich jetzt alleine lassen. Dann kannst du noch einmal in Ruhe
über alles nachdenken. Morgen Abend wird mein Fahrer dich am
Stadtrand von London absetzen und du kannst dir dann ein Taxi oder
was weiß ich nehmen.”.
    „Wirst
du morgen nicht mehr da sein?”.
    „Wenn
du möchtest, kann ich heute wieder hier tagen und dich morgen
verabschieden.”.
    „So
meinte ich es nicht.”.
    „Doch,
so meintest du es.“ und wieder lächelt er schelmisch. Sein
freundliches Gesicht, mit all den Sommersprossen und Lachfalten,
bildet einen ziemlich Gegensatz zu seinem Verhalten, dennoch kann ich
ihm nicht böse sein. Ich bin der Letzte, der fragwürdiges Verhalten
bewerten und abstrafen sollte. Er steht dann auf und nimmt sein Glas
mit sich.
    „Also,
bis morgen, Melville.”.
    „Bis
morgen, Alfred.”.
    Doch
komme ich nicht allzu lange dazu, mir Gedanken zu machen. Ich falle
früh in den Schlaf, bedeutend zu früh. Und ich weiß genau, warum.

    Ich
erwache und begreife augenblicklich, dass noch etwas tief in mir die
Augen geöffnet hat. Etwas Entscheidendes, dessen Präsenz ich vorher
nicht wirklich wahrgenommen habe. Meine Gedanken rasen durch meinen
Verstand, doch etwas scheint sie zu beeinflussen, sie umzufärben und
zu manipulieren. Doch im Grunde ist es nur meine eigene Stimme, der
ich immer vertraut habe, die mir nun teils mit fremden Worten in die
Wahrnehmung nuschelt. Und es sind keine netten Worte.
    „Bei
Kain, siehst du scheiße aus.”.
    „Auch
dir einen guten Abend, Alfred.”.
    „Hast
du dich schon im Spiegel gesehen?”.
    „Nein,
noch nicht, aber ich kann mir schon vorstellen, wie ich mich
verändert habe.”.
    „Da
wäre ich mir nicht so sicher. Im Flur hängt ein Spiegel, ich will
dabei sein, wenn du dich siehst.”. Ich greife mein Sakko, überprüfe
ein letztes Mal, dass die Uhr auch wirklich bei mir ist und folge ihm
dann. Fast schon schiebt er mich vor den großen schweren Spiegel.
Und mit Schrecken stelle ich fest, er hat Recht. Ich sehe furchtbar
aus. Die Augen tief in ihren Höhlen, die Haut noch blasser und teils
fleckig. Mein Haar wirkt glanzlos und meine Haltung eingefallen.
Nicht, weil ich krumm dastehe, sondern weil mein Brustkorb weiter
vorsteht. Mein Unterleib scheint eingefallen, ebenso wie die Wangen
und andere Stellen, über die sich meine Haut jetzt straff zieht.
    „Du
solltest Werbung machen,... für Aids-Medikamente oder so.”.
    „Das
wird mir den Weg zurück nicht gerade erleichtern, müsste dir ja zu
Gute kommen.”. Und als ich ihn über den Spiegel ansprechen will,
erschrecke ich dermaßen, dass er plötzlich nach mir greift. Er hat
kein Spiegelbild! Wie kann das sein?
    „Ganz
ruhig, Melville. Das ist richtig so.”.
    „Richtig?
Wie kann das richtig sein?”.
    „Du
bist eine Mimose beim Essen und ich kann mein hübsches Gesicht nicht
mehr sehen. So hat jeder seine Einschränkung.”. Ich nicke, als
könnte ich es verstehen. Dennoch ist

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