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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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somit musst du mich also wohl
begleiten. Ich würde dich nur bitten, gleich vorne beim Fahrer Platz
zu nehmen, denn zum Spielen brauche ich genug ungestörten Raum.
Sicher möchte mein Spielzeug dabei auch nicht beobachtet werden.“.
Ich überlege kurz gespielt.
    „Obwohl,
vielleicht schon, aber vorerst wollen wir es nicht vor die Wahl
stellen, oder Liam?”. Er beobachtet mich, zieht dann seine
Mundwinkel zu einem leicht gequälten Lächeln hoch und antwortet
    „Ich
werde sie beim Spielen nicht stören und vorne sitzen. Aber im Haus
muss ich ja nicht anwesend sein, oder?“.
    „Nur
wenn du es willst, Liam, nur wenn du es willst.”, sage ich bewusst
herausfordernd und drücke auf den Sprechtaster für meinen Fahrer.
    „Halten
Sie kurz an Frank, wir werden die Sitzplätze wechseln. Dann fahren
Sie bitte weiter.“. Ich warte keine Antwort ab, doch der Wagen hält
am Straßenrand, Liam steigt aus und setzt sich vorne auf den
Beifahrersitz. Nun habe ich genug Ruhe, um mir meine Unterhaltung für
heute Nacht gezielt auszusuchen. Ich glaube, heute ist mir nach etwas
Natürlichem. Vielleicht eine Frau, die gerade von Arbeit kommt oder
von ihren Freundinnen. Jemand, der sein zerbrechliches Leben genießt
und der vor Angst erstarrt bei dem Gedanken, dass so etwas wie ich
überhaupt existiert. Ich fange unmerklich an zu grinsen und lecke
mir über die Lippen. Ich spüre dieses innere Kribbeln der
Vorfreude, es ist so lange her, ich kann es kaum erwarten.

    Mitten
in dieser erregten Stimmung sehe ich plötzlich ihn, Benedict! Alles
vergeht plötzlich wie in Zeitlupe. Mein Magen krampft sich zusammen,
ich hatte keine Ahnung, dass ich dieses Gefühl so jemals wieder
empfinden könnte. Ich habe Angst, unerklärliche Angst. Er steht am
Straßenrand, wir fahren an ihm vorbei, seine Augen sind genau auf
mich gerichtet, obwohl meine Scheiben getönt sind. Ein Schauer geht
über meinen Rücken und ich blicke gebannt. Er ist es, ganz sicher.
Ich greife fest in das Leder der Autositze, ich höre meine Zähne
knirschen vor Anspannung. Auf gleicher Höhe erkenne ich seine tiefen
grauen Augen, die Traurigkeit in seinem Blick und er schüttelt
enttäuscht den Kopf. Ich sehe deutlich wie er mit dem Mund meinen
Namen spricht, etwas verzögert höre ich seine Stimme in meinem
Kopf.
    Wie
konnte es nur soweit mit dir kommen, Melville?
    Sie
dröhnt und hallt laut in meinen Gehirnwindungen wider. Es kostet
mich sehr viel Selbstbeherrschung, mir jetzt nicht selbst den Schädel
einzuschlagen. Ich atme hörbar tief aus. Als wir endlich an ihm
vorbei sind, ist alles so schnell wieder weg, wie es passiert ist.
Der Wagen scheint wieder normal zu fahren, die Zeit fühlt sich nicht
mehr gedehnt an und der Schmerz im Kopf verschwindet. Ich schließe
kurz die Augen. Nein, nein! Das kann er nicht sein! Benedict ist
tot... tot, verdammt! Aber er sah traurig aus... habe ich ihn
enttäuscht? So ein Unsinn, er war es nicht.
    Egal,
ob er es war oder nicht, wäre er von mir enttäuscht? Ich fürchte
fast...
Halt den Mund! Halt den Mund! Denke über so etwas nicht
nach, verliere nicht den Verstand! Sei tapfer, sei stolz, sei
rücksichtslos!
    Ich
öffne die Augen wieder. Alles wirkt wie in surreales Licht getaucht.
Ich sehe Liam vorne auf dem Beifahrersitz, in dieser Welt bin ich der
Erzeuger. Sein Anblick beruhigt mich etwas, ich bin froh ihn bei mir
zu haben.
    Was
soll dieser ganze emotionale Mist Melville? Diese Taktik funktioniert
nicht. Du darfst ihn nicht mögen, niemanden! Verstehst du? Du bist
wichtig, etwas Besonderes. Wenn du dich zu sehr auf ihn einlässt,
was bist du dann?
    „Verwundbar...“,
flüstere ich leise.
    So
ist es Melville... Melville. Niemand sagt deinen Namen so wie
Benedict es getan hat. Du vermisst ihn, aber dies ist eine andere
Zeit. Hier regierst du. Vergiss nicht deine neuen Regeln, die
Selbstdisziplin. Lass dich nicht von Hirngespinsten dermaßen
verunsichern. Sonst nimmt es noch ein schlimmes Ende.

    Ich
räuspere mich kurz, gehe mit meiner rechten Hand durch mein Haar und
ziehe meinen Hemdkragen gerade. Ich muss mich zusammenreißen. Angst
und Zweifel sind für Schwächlinge und Versager! Ich blicke wieder
aus dem Fenster, wir sind der mittelständischen Wohnsiedlung schon
ganz nahe. Es ist erst halb Neun und es sind noch einige Menschen
unterwegs. Sie steigen aus Bussen und Bahnstationen, wenige zu zweit,
viele allein. Ein angenehmes Revier. Zu meiner Überraschung ziehen
sich meine Blicke weniger zu den Frauen. Einige

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