Melville
hätte und nur noch an seiner Perfektion
feilen müsste. Doch erkenne ich auch etwas anderes. Etwas, das mich
überhaupt dazu brachte, ihm von meinen innersten Regeln, meinem Pfad
zu erzählen. Seine Augen, sie brennen förmlich vor Neugierde,
glimmen vor Verlangen nach Wissen und Autorität. Auch wenn sein
Verstand es vielleicht noch nicht weiß, so zeigt mir doch seine
Seele, wonach er sich sehnt. Er hat seinen eigenen Erzeuger noch im
ersten Jahr übertrumpft, natürlich will er mehr! Vor mir sitzt ein
Raubtier und ich kann es befreien. Er wird meine von mir
kontrollierte Nemesis werden und meinen Willen und meine
Entscheidungen gnadenlos nach außen tragen.
Die
nächsten Nächte wirkt Liam recht unkonzentriert. Der Wirkung meines
Gespräches mit ihm bewusst, habe ich im Vorfeld sämtliche wichtigen
Termine für ihn verlegt. Doch ich kann nichts weiter tun, als seine
Entscheidung abzuwarten. Weitere Schritte wären sonst sinnlos. Es
wurde von meiner Seite alles gesagt, so dass ich das Thema nicht
weiter anspreche, es liegt jetzt an ihm. Ich möchte ihn nicht zu
einer Wahl zwingen, die ihn eventuell von mir wegtreiben könnte.
Doch lieber beim Versuch zerbrechen, als ewig schwach zu bleiben.
Trotzdem warte ich ab. Meine Indoktrinierung wird es ihm eh fast
unmöglich machen abzulehnen.
Spielzeug
In
der Zeit des Wartens, in der ich Liam seine eigene Zeit geben möchte,
treibt mich ein wenig die Langeweile. Ich kann aber mein Heim nicht
ohne Liam verlassen, da ich ihn nicht unbeaufsichtigt lassen möchte.
Bis sein Kükenstatus beendet ist, und das kann gegebenenfalls noch
einige Jahre dauern, werden wir räumlich relativ gebunden sein.
Zuviel habe ich durchgemacht, als das ich meinen Ruf jetzt mit seinem
Verlust beschmutzen würde.
Ich
klopfe an Liams Tür.
„Ja
bitte?“.
„Heute
ist unser freier Abend, aber ich muss noch einmal kurz los, mach dich
bitte fertig.“. Liam öffnet die Tür, er trägt eine Art
Jogginganzug, ein äußerst ungewohnter Anblick.
„Kann
ich nicht einfach hier bleiben? Es wird schon nichts passieren.“.
Ich neige mich in seine Richtung, gehe mit meinem Mund dicht an sein
Ohr und sage
„Ich
werde dich nicht alleine zurücklassen, das habe ich dir schon des
Öfteren erklärt und ich werde dich nicht noch einmal darum bitten.
Also zieh’ dich an, wir fahren!“, sage ich in einem scharfen,
flüsternden Ton.
„Natürlich,
verzeihen Sie meine Anmaßung, Herr Lancaster. Ich bin in fünf
Minuten unten.“. Er macht eine Neigung mit dem Kopf zur
Entschuldigung und schließt die Tür. Ich weiß, dass ich sehr
streng bin, aber ich weiß auch, dass es das Beste für Liam ist,
wenn er merkt, dass ich keine Ausnahmen zu meinen Regeln mache.
Er
hat sich schnell einen Anzug ohne Krawatte angezogen und knüpft sich
gerade die Hemdsärmel unter dem Jackett zu, als er die Treppen
herunterkommt. Auch ich habe weniger ein hochoffizielles Outfit an,
denn heute möchte ich mich einfach nur etwas amüsieren. Ich sage
kein Wort, sondern gehe nur vor zum Wagen. James hält uns beiden die
Wagentür offen und mein Fahrer beschleunigt, sobald wir sitzen. Er
kennt den Weg.
„Glaube
nicht, dass ich dich immer zu meinem Vergnügen um mich haben möchte
und deswegen deine unabdingbare Gegenwart fordere. Aber es gibt
Dinge, die wir beide jetzt noch nicht kennen, aber vor denen wir uns
in Acht nehmen müssen. Du bist ein Küken, wenn man mir Schaden
möchte, wartet man einfach bis ich dich zurücklasse, nur um dich
dann zu töten. Natürlich ist es jedem Kainskind untersagt, in das
private Reich eines anderen einzudringen, aber es gibt viele die von
Regeln auch Ausnahmen machen, damit sie das erreichen, was sie
wollen. Ich habe einige Feinde, Liam, Erfolg schafft Neider und
Konkurrenten. Du bist zu wertvoll, als das ich dich als Spielball der
Parteien gefährden möchte.“.
„Ich
verstehe. Ich werde ihre Anweisungen in Zukunft nicht mehr in Frage
stellen, es tut mir leid.“. Sein Blick ist aufrichtig und seine
Gesichtszüge ernst. Ich lächle und antworte sanfter
„Dir
mag es jetzt eventuell etwas banal erscheinen, aber ich fühle mich
heute Nacht etwas gelangweilt und möchte spielen. Zum Spielen
braucht man Spielzeug, da stimmst du mir doch zu nicht wahr?”, er
zögert kurz und antwortet
„Ja,
ich denke schon...“.
„Also
werde ich mir jetzt ein schönes Spielzeug suchen und es mit nach
Hause nehmen. Lieber würde ich es natürlich alleine aussuchen, aber
die Umstände sind wie sie sind,
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