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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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liegt vor uns, erleuchtet, aber alle anderen Zimmer
sind dunkel.
    „Noah?“,
ruft Alex in die Wohnung hinein, doch niemand antwortet. Ich gehe
voran, die anderen drei hinter mir her.
    Und
kaum haben wir gemeinsam die Wohnung komplett betreten, dauert es
keine Sekunde, da breitet sich ein schwarzer Schleier über unsere
Augen aus. Eine Dunkelheit, undurchdringlich und schwer. Ich sehe
nichts, erhebe zur Abwehr meine Hände. Höre schwer gedämpft Laura
schreien. Ich bin wohl nicht allein betroffen. Bei dem Versuch,
selbst ein paar Worte zu sagen, spüre ich, wie der Schatten sich
über meinen Kehlkopf legt, in meinen Hals dringt und keinen Laut
zulässt. Schnell schließe ich meinen Mund wieder, wir sind gefangen
und ich kann mir denken, was es ist. Ich kenne nur Lasombra, die zu
Schattenspielen in der Lage sein sollen. Unaufhaltsam spüre ich die
Panik meinen Rücken empor klettern.
    Dann
plötzlich, in all dieser Finsternis, höre ich mit einer leisen,
fast schon tonlosen Stimme, eine Frau in mein Ohr flüstern
    „Melville.”,
ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und da spüre ich es. Fühle
wie sich ihre weichen, vollen Lippen auf meine legen. Fühle nichts,
außer diesem Kuss. Wie sie mich sanft erobert. Wer war sie bloß?
    Sabbat!
    Dröhnt
es plötzlich in meinen Ohren, doch ich fühle keine Angst. Vielmehr
hänge ich mich sehnsüchtig an ihre Lippen, an ihre Zuwendung. Ich
öffne meinen Mund und sie verhindert ein Eindringen der Schwärze,
dafür schmecke ich sie umso intensiver. Ich küsse sie, als wären
wir ein Paar. Doch sie führt mich in diesem Tanz und ich folge
gierig. Bis sie mich wieder verlässt. Ich bleibe zurück, verwirrt.
Und als keine zehn Sekunden später die schwarze Wand sich plötzlich
wieder auflöst und wir alle stumm dastehen, kommt Noah plötzlich in
den Flur.
    „Na,
Melville. Jemanden kennengelernt?“, zwinkert er mir vieldeutig zu
und deutet auf meinen Mund. Wir sehen ihn sicher ziemlich entgeistert
an. Ich fasse an meinen Mund und wische den roten Lippenstift an
meine Finger.
    Ihr
Lippenstift
.
    Ich
beschließe den Rest unauffällig mit einem Taschentuch zu entfernen,
um die Spuren nicht zu verlieren.
    „Wurdest
du gerade geküsst?“, fragt Laura mich vollkommen entgeistert. Alex
Tonlage wirkt für seine Verhältnisse blass.
    „Waren
das gerade die Täter?”. Ich drehe mich nicht zu ihnen um, bis ich
sicher bin, wirklich alle Spuren an mir beseitigt zu haben.
    „Was?“,
fragt Noah die anderen.
    „Hast
du nichts mitbekommen, eben? So eine... eine... riesige schwarze
Wolke, ganz furchtbar. Ich hatte Angst zu ersticken!“, klagt Laura.
    „Nein,
ich bin gerade erst durch die Balkontür rein. Hat ein wenig
gedauert. Und da wart ihr schon.”.
    „Jedenfalls
war das nicht normal.“, höre ich Katharina sagen.
    „Melville!
Jetzt sag doch mal was dazu!“, fordert mich Alex plötzlich laut
auf. Ich stecke das Taschentuch ein und drehe mich zu den anderen
herum.
    „Wurdest
du gerade wirklich geküsst?”. Ich versuche all mein Können
aufzubringen, nicht zu auffällig zu wirken und sie anzulügen.
    „Ich
wurde eben wohl von einer Frau kurz berührt, ja. Aber ich kenne sie
nicht und ich wünsche auch nicht sie kennenzulernen. Das sollte wohl
ein übler Scherz sein. Eine Bloßstellung! Also macht es damit nicht
noch schlimmer.“, ich kann nicht verhindern, dass in meiner Stimme
eine gewisse Aggression mitschwingt. Aber dieser Unterton schafft es
wohl auch, dass sie meinen Worten Glauben schenken. Doch tief in mir,
ganz fest verschlossen und verborgen weiß ich, dass dieser Kuss
gerade einen Punkt in mir berührt hat, den ich so noch nicht kannte.
Ein kurzes, reines Gefühl der Hingabe, eine seichte Welle des
Glücks. Und es tat so gut.
    Wer
war sie nur?
    Am
Tatort kann ich nicht viel mehr tun als in meinen Gedanken zu
versinken. Jeder geht seinem Dienst nach und da niemand am Tatort
anzutreffen ist, habe ich keine Aufgabe, als die anderen dabei zu
beobachten, wie sie Daten und Spuren aufnehmen. Immer wieder habe ich
den kurzen Eindruck, ihre Lippen würden mich wieder berühren, ich
stütze mit dem einen Arm den anderen und fahre mir mit meinen
Fingern gedankenverloren über die Lippen. Alex blickt immer wieder
besorgt zu mir, doch ich kann gerade nicht anders.
    Überwältigend.

    „Sie
hat sich gewehrt!”, sagt Laura plötzlich. Ihre Augen wirken immer
noch leicht glasig, als ich näher zu ihr trete.
    „Sie...
sie haben sie geholt... gepflöckt... in einem Sack, aber sie

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