Melville
habe nicht mit solch einer Menge Beobachter gerechnet. Ich greife
kurz in meine Jackentasche und fühle nach der Schachfigur. Ich halte
mich an ihr fest, während ich mit schnellem Schritt weiter gehe.
Dann
öffnet ein Torbogen den Blick in einen großen Saal. Sicher an die
dreißig Paar Augen sehen Sophia und mich an. Stille kehrt ein. Viele
scheinen mich zu mustern. Ich versuche routiniert mein
Geschäftslächeln aufzulegen, doch ich merke selbst, dass es mir
nicht recht gelingt. Und meine blutverschmutze Kleidung wird mir
plötzlich schamerfüllt bewusst, dies ist nicht der Eindruck, den
ich sonst zu meiner Person versuche zu vermitteln. Ich folge Sophia
weiter, sie hat mir noch keine andere Anweisung gegeben. Fast schon
ehrwürdig teilt sich die Kainitenmenge und Sophia und ich werden
hindurch gelassen.
Ich
erkenne ein großes, dunkles Wasserbecken in der Mitte des Raumes,
eine sehr blasse Frau mit weißen, geflochtenen Haaren und in einer
weißen Kutte steht am Rand des Beckens. Sie lächelt mich an. Sophia
gesellt sich zu ihr und ich stelle mich dazu. Sophia beginnt zu der
aufmerksamen Menge zu sprechen.
„Ich
danke Ihnen, dass Sie so zahlreich meiner Einladung gefolgt sind und
gemeinsam mit mir erleben werden, wie Melville Lancaster heute
getauft wird und somit auch rechtskräftiges Mitglied meines
Bischof-Rudels wird.”.
Ihres
was? Ihres Bischof-Rudels? Ich werde sie fragen müssen,
was das zu bedeuten hat.
„Seine
Prüfung, ob er wirklich geeignet ist zu uns überzutreten, hat er
heute Nacht vor meinen Augen erfolgreich abgelegt. Er ist also
bereit, sich in die Arme unserer Gemeinschaft zu begeben und seinen
Teil zum Wohlerhalt und der Vergrößerung des Sabbats beizutragen.”.
Die Gäste nicken gewissenhaft, aber kaum ein Laut dringt von ihnen.
Einige wirken äußerst verstörend auf mich. Sie tragen geformte
Auswüchse, echsenartige Haut oder sind asketisch schön, so dass es
mich fast blendet. Alle tragen sie eine Art Gebetsmantel aus
gold-weißem Brokat. Symbole verzieren die edlen Stoffe, aber ich
kann sie nicht deuten.
Sophia
weist mir mit einer Handbewegung, dass ich nun zu der Frau am
Beckenrand gehen soll. Ich folge ihrer stummen Anweisung und sie
selbst entfernt sich von uns, streift ebenfalls einen Brokatmantel
über und stellt sich zu den Zuschauern. Ich schlucke kurz leise.
Die
Priesterin beendet ihr Lächeln, blickt konzentriert auf mich und
reicht mir ihre Hände. Ich nehme sie an und sie beginnt mich
Richtung Becken zu ziehen. Schritt um Schritt geht sie die
Treppenstufen in das Wasser hinab und ich folge ihr. Das Becken ist
finster, man erkennt nicht den Grund. Bis knapp an meine Brust reicht
das Wasser, als wir stehen bleiben. Sie stellt sich aufwärts zu mir,
damit ich tiefer im Wasser stehe, da ich so groß bin. Sie schließt
kurz die Augen, atmet tief ein und beginnt dann mit festlicher Stimme
zu reden
„Das
Wasser symbolisiert unseren stetigen Fluss, die ehrwürdige Halle
unseren Glauben an die Geschichte und die Taufe die Reinwaschung von
allem Übel.“, sie öffnet die Augen wieder und fixiert mich.
„Du
wirst nun ein Teil von uns werden, die Gemeinschaft achten und ehren
und die Bischöfe unterstützen. Du sollst alle gerecht und als
deinesgleichen betrachten und die Freiheit des anderen achten, so wie
auch er sie achten möge.“. Die Bischöfe unterstützen? Ist das
der Titel des Sabbats, der dem Prinzen gleicht? Dann legt sie eine
Hand an meinen Hinterkopf und eine an meine Brust und fährt fort
„Mit
diesem Ritual wirst du ein freies Mitglied des Sabbats werden,
hiermit taufe ich dich, Melville Lancaster, als ein Teil dieser
Sekte.“ und dann drückt sie mich fest unter die Wasseroberfläche.
Ich knicke mit den Beinen ein und fühle wie das Nass über meinem
Gesicht zusammenschlägt. Etwa fünf Sekunden hält sie mich so.
Absolute Stille in meinen Ohren, ich habe Zeit für einen Gedanken.
Ab
jetzt wird alles besser!
Sie
holt mich wieder hoch, das Wasser perlt an mir herab, ich öffne die
Augen. Und beinahe spüre ich schon die Veränderung, als hätte ich
einen wirklichen Schritt gemacht. Ich lächle glücklich, glücklich
und zufrieden und suche die Augen von Sophia. Sie zwinkert mir zu.
Ich
trete aus dem Becken heraus und die Frau legt ein großes Handtuch um
mich. Ich trockne mich etwas ab und fühle sicherheitshalber, ob die
Figur noch da ist. Die Dame ist an gewohnter Stelle und beschützt
mich. Die Priesterin nimmt mir das Handtuch wieder ab, ich
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