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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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fühle das Tier, wie es
in angespannter Haltung in meinem Verstand lauert, um jederzeit
zuschlagen zu können. Es verlangt immer nach mehr, wird nie
befriedigt sein. Ich fühle, dass ich ab jetzt mehr ‚Es‘
bin, anstatt
‚Ich‘. Doch ich nehme mir vor, mich
zusammenzureißen und mich diesen Trieben nicht hinzugeben. Ich
versuche es jedenfalls.
    Ich
dusche und kleide mich, akkurat soll mein erster Abend in der
Gesellschaft meiner neuen Freunde
sein. Ich gehe zur Tür und trete hinaus auf den
beleuchteten Flur. Niemand ist zu sehen, nur das Hämmern ist
weiterhin im Hintergrund zu hören. Was mag das nur sein?
    Ich
gehe in das Erdgeschoss, es sind zwar noch einige Räume auf dieser
Etage, doch da die Türen geschlossen sind, erscheint es mir
unhöflich sie öffnen zu wollen.
    Im
Salon angekommen sehe ich Elina. Sie sitzt auf der Couch und liest in
einem großen und sehr alt aussehenden Buch. Kaum erkennt sie mich,
legt sie es beiseite und geht lächelnd auf mich zu. Doch erkenne ich
auch die Sorge in ihrem Blick.
    „Guten
Abend, Melville. Du siehst gar nicht gut aus.”.
    „Guten
Abend. Ja, es scheint bald Zeit für mich zu sein, meinen moralischen
Kodex zu überdenken.“, antworte ich bemüht locker und lächle sie
an. Doch sie liest in mir, wie sie es eben noch mit dem Buch getan
hat.
    „Ich
werde Sophia raten, mit deinem ersten Einsatz zu warten, bis du
gefestigter bist...“ und mit diesen Worten geht sie ganz dicht an
mich heran. Mit einer Handbewegung deutet sie mir, mich zu ihr
herunter zu beugen. Ich komme dieser Aufforderung leicht verwirrt
nach. Sie legt ihre Stirn an meine und hält mich am Nacken fest. Mit
leicht belegter Stimme redet sie weiter
    „Ich
spüre, wie es in dir giert und schreit... wie du es kaum noch
bändigen kannst. Es verlangt nach Schmerz und nach Blut. Dein Tier
ist besonders stark...”, dann lässt sie mich wieder los, sieht mir
aufmerksam in die Augen und sagt weiter
    „Ich
hoffe, du bist stärker, Melville.”.
    Ich
räuspere mich etwas. Ich war nicht auf eine tiefenpsychologische
Analyse eingestellt.
    „Das
bin ich.“, antworte ich mit fester Stimme.
    Und
als ob eine Trance von ihr gefallen wäre, sagt sie plötzlich mit
irritierend glücklicher Stimme
    „Dann
ist ja gut. Soll ich dir vorlesen?“ und sie deutet auf das große
Buch, während sie sich schwungvoll wieder auf die Couch fallen
lässt. Sie fragt dann mit eindringlicher Stimme und ernster Miene
weiter
    „Die
Camarilla lehnt die Wahrheit ab, Melville, aber jetzt solltest du die
Geschichten kennen. Du bist jetzt ein Teil der Wahrheit. Du kennst
die Berichte von Kain und Lilith doch, oder?”.
    „Nicht
so ganz, meine Erziehung damals sah diesen Punkt nicht vor.”.
    Sie
klopft auf den Platz neben sich und greift nach dem Buch. Um nicht
unhöflich zu sein, setze ich mich zu ihr. Eine Lektion in
kainitischer Religion. Warum nicht?
    Aufmerksam
lausche ich ihren Worten. Über Kain, der erste geschwistermordende
Vampir, seine Kinder und seine Kindes Kinder, die Namensgeber und
Gründer unserer Clanlinien. Die Strafen Kains, für die
Vermessenheit seiner Enkel. Die Bedeutung unserer Blutsucht, der
Raserei und die Gefahr der Ahnen, wenn sie wieder erwachen. Wenn
Dünnblütige und die ungehemmte Ausbreitung unserer Art Gehenna,
eine Art vampirische Apokalypse, hervorbrechen lassen werden und wie
der Sabbat seinen Teil zum Erhalt unserer bekannten Welt beiträgt.
Ich merke, wie wichtig ihr dies alles ist und ich bin erstaunt mit
welcher Inbrunst und Leidenschaft sie mir berichtet. Es ist wirklich
interessant, doch ich war noch nie der spirituelle Typ und werde es
auch sicher nie sein. Doch sollten die Geschichten stimmen, soll es
mir auch recht sein. Ich bin der Letzte, der behaupten würde, dass
es nicht wahr ist. Denn man kann weder die eine noch die andere
Ansicht beweisen.
    Nach
etwa neunzig Minuten stößt Gregori zu uns. Er trägt eine lederne,
braune Schürze und hat die Hemdsärmel hochgekrempelt. Seine Hände
sind mit weißem Staub bedeckt. Er nickt uns nur kurz zu und geht in
einen anderen Raum. Ich vermute in die Küche. Elina erkennt meinen
fragenden Blick und lacht kurz leise. Sie unterbricht meine Lektion
und erklärt
    „Er
übt jeden Tag... er ist schon ein wahrer Meister.”.
    „Was
macht er denn genau?”, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich
es wirklich wissen möchte.
    „Er
schnitzt Kunstwerke aus Gebein. Wunderschöne Dinge... deine
Schachfigur übrigens auch. Also pass auf sie auf, sonst

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