Melville
den zweiten Kanister, er lächelt mir zu und geht mit
beiden leeren Gefäßen wieder wortlos die Treppe hinunter. Ich drehe
mich zu ihr um.
„Besser?“,
fragt sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja,
viel besser.“ und ich spüre wie eine warme Brandung in mir
aufschlägt und sich das Blut des Opfers in meinem Körper verteilt.
Ich würde stöhnen, doch es ist mir vor ihr zu peinlich, so bleibt
es bei leisen Atemstößen.
„Gut,
dann lass mich dir jetzt den Rest des Hauses zeigen und unsere Regeln
erklären. Eine Wohngemeinschaft braucht immer Regeln.”.
„Sehr
wohl, mein Ductus.”, antworte ich mit Demut und verneige mich vor
ihr. Sie lächelt bei meiner Geste.
Das
Haus ist wirklich groß, viele Räume sind für Freizeitaktivitäten
der Bewohner vorgesehen. Bibliothek, Billardzimmer, Kino und sogar
ein Trainingsraum für Kampfsportarten. Da Sophia in ihrem Haus auch
offizielle Besuche empfängt, gibt es auch repräsentative Räume und
mehrere Büros. Die ghulischen Bediensteten, ebenso wie James,
bewohnen einen eigenen Abschnitt im zweiten Stockwerk und die Wachen
residieren in einem eigenen Anbau. Die größte Überraschung erlebe
ich zum Schluss, als sie mir mitteilt, dass permanent ein Nosferatu
im Anwesen wohnt, um alles Technische zu überwachen oder um
benötigte Informationen zu beschaffen. Der Nosferatu selbst
wechselt, nur die Loyalität und die Funktion sind wichtig. Zurzeit
ist Stefan unser Nachrichtendienst, sie zeigt mir nur kurz hinter
welcher Tür er zu finden ist, aber um meine Sinne zu schonen,
unterlässt sie eine persönliche Vorstellung.
„Wir
achten die Privatsphären der anderen und engen uns gegenseitig nicht
ein. Jeder geht seinen Verpflichtungen ebenso nach wie seinem
Freizeitausgleich. Manchmal sehen wir uns nächtelang nicht,
besonders Elina verschwindet hin und wieder, um sich einigen Riten zu
unterziehen. Einmal die Woche setzen wir uns aber möglichst zusammen
und besprechen die neuesten Entwicklungen und Pläne. Außerhalb
dieses Hauses wird Sergej mich auf alle offizielle Treffen als Wache
begleiten. Ghule sind vom Trinken ausgeschlossen und bis auf die
allgemeinen Haushaltshilfen dienen sie auch nur ihrem jeweiligen
Besitzer.”, sie überlegt kurz und fügt noch an
„Ach
ja, wenn ich Besuch habe, ist es verboten mich zu stören. Dann wird
ein Bediensteter Wache vor meiner Tür halten und Besucher abwehren.
Das schließt auch mein Rudel mit ein, außer in wirklich dringenden
Notfällen. Hast du noch Fragen, Melville?”. Ich habe fast das
Gefühl, mich kurz räuspern zu müssen und frage
„Was
genau wird eigentlich von mir später erwartet, also welche Rolle
erfülle ich?”. Sie lächelt kurz und sagt
„Das
ist zwar noch etwas verfrüht, aber ich verstehe deine Neugier. Nun
ja, Melville, ich weiß von Stefan, dass du eine besondere Art im
Umgang mit Menschen hast...“, sie lächelt mich kurz zweideutig an
und auch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
„Jedenfalls
ist deine Disziplin der Präsenz wohl sehr ausgeprägt. Also erwarte
ich später von dir, dass du mir sämtliche Aufgaben Menschen
betreffend vom Leib halten wirst. Siehe es als eine Art
Diplomatenstelle. Organisatorisch haben wir noch viel mit ihnen zu
tun und es ist mir persönlich zuwider mit ihnen zu kommunizieren.
Und es ist sicher auch nicht verkehrt, wenn deine beruflichen Vorzüge
unsere Geschäfte etwas im Auge behalten. Im Moment habe ich noch
andere Kainskinder dafür, doch ich traue niemandem so sehr, wie den
Mitgliedern meines Rudels.”. Ich nicke pflichtbewusst, es wird mir
eine Freude sein ihr diese Aufgaben zu erleichtern. Ich bin noch
jung, ich erinnere mich selbst an den Umgang der Menschen von heute
und gleichzeitig genieße ich die erhabene Macht über sie, die man
nur bei Menschen so schön deutlich spürt.
„Ich
habe noch eine Frage.”.
„Ja,
Melville?”.
„Du
sagtest, du bist eine von drei Bischöfen. Warum gibt es drei in
Frankfurt?”.
„Dies
ist ein Status quo. Es ist noch nicht endgültig entschieden, wer
alleiniger Bischof werden wird. Die Kardinälin von Deutschland ist
sich auch noch nicht sicher, ob allgemein ein Erzbischof des gesamten
Rhein-Main-Gebietes besser wäre. Aber wie du weißt, haben wir noch
nicht in allen großen Städten Diözesen, also macht das noch keinen
Sinn. Glaube mir, Melville, ich würde mich sehr freuen und es wäre
sicher auch nur rechtens, wenn ich alleinige Bischöfin in Frankfurt
wäre, doch noch steht der endgültige
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