Melville
einer
erklärt und der andere wird belehrt. Es wird sich nie ändern.
„Du
glaubst also, dass es für dich der richtige Weg ist, diesen
mächtigen und äußerst wichtigen Pfad zu erlernen? Der dir Respekt
und Ansehen verschaffen soll, wo du noch nicht einmal in der Lage
bist zu verhindern, dass ich dich ohne Erlaubnis duze.”, er grinst
mich fast schon herausfordernd an. Ich senke kurz das Gesicht, so ist
das also, der Jüngling spielt mit mir und testet mich.
„Ich
denke, in Anbetracht der Situation und der Stellung zueinander, war
es nicht unhöflich von Ihnen mich direkt zu duzen. Auch wenn es mir
natürlich aufgefallen ist und es eine Abstufung meiner Person
bedeutet.”.
„Und
du hältst eine Abstufung deiner Person für angemessen?”.
Ich
muss ehrlich zugeben, dass er mich bereits etwas nervt. Er macht mich
auch ganz nervös, wie er immer wieder um meinen Stuhl herum geht und
ich kein wirkliches Gegenüber zum Fixieren habe.
„Nein,
natürlich nicht. Aber soll ich meinem Mentor gleich als Erstes vor
den Kopf stoßen?”.
„Der
Weg, den ich dir näher bringen soll, nennt sich ‘Pfad der inneren
Stimme und der Macht’. Wenn deine innere Stimme zu sehr Angst davor
hat, jemanden vor den Kopf zu stoßen, dann wird das mit der Macht
nichts, Melville. Also, was kannst du tun?”.
Ich
überlege kurz, ich hatte mir das ganze irgendwie anders vorgestellt.
Bücher wälzen, eventuell meditieren, intensive Gespräche mit
philosophischem Hintergrund, doch es ist ganz anders.
„Ich
schätze, dann bleibt mir nichts anderes übrig als dich mit Alexej
anzusprechen.“, antworte ich.
„So
ist es, Melville. Ich bin Alexej und ich wünsche, dass deine
Neuprägung nicht allzu lange dauert und ich bald wieder nach Hause
kann.“.
„Ich
hoffe, du bist nicht dazu gezwungen worden mich zu unterrichten.
Sonst weiß ich nicht, wie sinnvoll das Ganze ist.”. Er bleibt vor
mir stehen und lächelt etwas bittersüß.
„Gezwungen
ist das falsche Wort, aber ich warte schon lange darauf Sophia einen
Gegengefallen leisten zu können. Und das tue ich hiermit. Aber nun
ja, du scheinst mir nicht gänzlich hoffnungslos zu sein. Deine
Haltung drückt Würde und Selbstsicherheit aus. Doch das kann sicher
jeder, der acht- oder sogar neunstellige Beträge auf seinem Konto
hat und von Dienern hofiert wird.”. Ich sehe ihn mit hochgezogenen
Augenbrauen an. Und da ich langsam begreife, wie dieses Spielchen
hier läuft, erhebe ich mich wieder von diesem unbequemen Stuhl und
koste meine Körpergröße voll aus.
„Es
ist mehr als das, Alexej. Es...”, er unterbricht mich plötzlich.
„Jaja,
du bist ein Vampir, mächtig und eindrucksvoll für die Menschen da
draußen, aber in unserer Gesellschaft bist du ein Wurm, der sich
windet und bis jetzt sehe ich keinen großen Unterschied zu den
ganzen blasierten Camarilla Ventrue-Affen da draußen in Frankfurt.
Ich habe sie schon erkannt, kurz nach meiner Ankunft und mir wurde
schlecht, am liebsten hätte ich ihnen das geronnene Blut vor die
Lackschühchen gekotzt! Ihre bleichen Gesichter, getrieben vom Geld
und der Gier nach mehr, aber zurückzuckend vor jedem kleinen
Hindernis. Keine Macht, kein Respekt. Ja, deine Vampirfähigkeiten
machen dich vielleicht stärker, aber im Grunde bist du nur einer von
vielen, Melville. Was glaubst du also, macht dich würdig genug,
damit ich dir helfen soll?”. Seine Stimme erhob sich bei seiner
Rede etwas bedrohlich. Was hatte Sophia gesagt? Er kann aufbrausend
sein. Ich gehe fast so weit zu behaupten, dass er cholerisch ist.
„Vielleicht,
weil ich es verdient habe diesem Pfad zu folgen. Weil ich eine
Bestimmung habe, deren Erfüllung ich nur schaffen kann, wenn ich
nicht mehr diesen leidlichen, menschlichen Regeln folgen muss!“,
sage ich mit schon bedrohlich finsterem Ton. Doch Alexej scheint
komplett unbeeindruckt von meinem Gebaren. Er geht einen Schritt auf
mich zu und tätschelt plötzlich meine Wange, gönnerhaft und
selbstsicher. Ich ziehe meinen Kopf zurück und zeige, dass mich sein
Verhalten stört.
„Der
Ventrue hat also eine Bestimmung? Ich erkenne an, dass du dich in
deinem eigenen Wertesystem bereits auf den unteren Stufen befindest
und wir diese Schritte also nicht mehr zu gehen brauchen, aber du
hast keine Ahnung, was dich erwartet. Weißt du, wie sie die
Fußsoldaten des Sabbats von der Menschlichkeit wegholen? Schnell und
effektiv?” .
„Nein,
das weiß ich nicht.”, antworte ich barsch.
„Man
zeugt sie, schlägt ihnen die
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