Melville
ich nicke ihm
zustimmend zu. Er reicht mir das leere Glas und die Flasche, sie
fühlt sich noch warm an.
„Du
bist also ein Neuer, ja?”, spricht mich plötzlich jemand von der
Seite an und mit dieser baritonartigen Stimme weiß ich natürlich
gleich, dass es der Rockträger ist. Ich drehe mich zu ihm und ich
erkenne förmlich die gespitzten Ohren der anderen und wie sie uns
aufmerksam lauschen.
„Guten
Abend. Ja, da ich erst seit einigen Monaten Teil dieser Welt bin,
kann man mich wohl als Neuen bezeichnen. Ich hoffe, das
stört Sie nicht.”. Er geht ganz dich an mich heran, fast schon
bedrohlich und ich merke, wie Gregori sich etwas gerader hinstellt,
um im gegebenen Fall reagieren zu können. Doch ich bleibe standhaft,
sein Verhalten schüchtert mich nicht ein.
„Natürlich
stört mich das!”, zischelt er mir entgegen, ich möchte schon
etwas Spitzfindiges antworten, als er sich herum dreht, die Arme in
die Luft reißt und schreit
„Das
heißt, dass ich dich noch nie unter den Tisch gesoffen habe! Heute
wird der Neue entjungfert!”, die anderen Ventrue heben ihre Gläser
und jubeln ihm zu. Dann dreht er sich wieder zu mir und zwinkert
schelmisch.
„Jetzt
mal im Ernst, es ist eine schwere Beleidigung in unserem Clan zu sein
und nicht seinen Kampfgeist zu beweisen. Ich zähle auf dich... wir
sehen uns später.“ und klopft mir kräftig auf die Schulter. Die
körperliche Ausprägung seiner Talente ist nicht zu verachten. Fast
schwappt mir etwas Blut aus der Flasche, unter der Wucht seiner
großen Hand. Ich balanciere die kleine Notsituation aus und antworte
„Mein
Kampfgeist ist nicht in Frage zu stellen, ich bin dabei!“ und
innerlich lache ich, dass ich etwas viel Schlimmeres vermutet hatte
als der Mann eigentlich im Sinn hatte. Ich muss mich wirklich an
einiges gewöhnen und alte Vorurteile über Bord werfen. Nun hatte
ich eine offene Einladung zu einem Blutbesäufnis. Und als ich mich
mit Gregori abwende, mir etwas Blut eingieße und koste, merke ich
auch, wie es genau gemeint war. Das Blut ist dermaßen mit Alkohol
genährt, dass ich direkt nach dem ersten Schluck ein leichtes
Brennen in meinen Innereien wahrnehme. Als Gregori mein kurzes
Schnappen der Überraschung erkennt, lacht er laut auf.
„Das
wird eine ganz tolle Party. Komm, wir sehen uns mal alles an.”.
Kaum
einen Kellner mit Blutgläsern auf dem Tablett lässt Gregori an sich
vorüberziehen ohne nach Nachschub zu greifen. Und im Zuge seiner
Ermunterung, fülle auch ich mein Glas des Öfteren nach. Ich spüre
eine Leichtigkeit in meine Beine fließen und bewege meinen Kopf
unbewusst im Takt der Musik. Wir gehen die stählerne Treppe hinauf,
auf der auch einige Gäste stehen und sich lautstark unterhalten.
Geschickt weiche ich ihnen aus und obwohl sie mir vollkommen fremd
sind, wünsche ich ihnen eine schöne Party. Sie lachen und prosten
mir zu. Die kleinen Besonderheiten, die unsere Gesellschaft
ausmachen, fallen mir schon gar nicht mehr extra ins Auge. Die nicht
verdunkelten Nosferatu, die fast schon bis zur Perfektion
ausstilisierten Tzimisce, die Exzentrischen mit ihren sicher teils
fragwürdigen Intentionen ihre Kostümierung zu wählen. Die
Anmutigen, die Untergebenen, die Proleten und die Schüchternen.
Schnell macht man sie aus, wenn man seinen Blick von der Treppe über
die Menge im Erdgeschoss schweifen lässt.
Im
ersten Stock gibt es mehrere, teils separierte Bereiche. Einige weiße
Ledergarnituren mit Tischen und eigenständiger Beleuchtung bieten
Raum für Gespräche in kleineren Gruppen und sofort fällt mir
Sophia an einem dieser Tische auf. Sergej steht etwas abseits und
behält sie und ihr Umfeld im Auge. Sie unterhält sich angeregt mit
zwei anderen Individuen und bemerkt mich nicht. Mehrere Diener sind
zwischen diesen Tischen emsig unterwegs, um alle Wünsche der
anscheinend gehobenen Gesellschaft zu erfüllen.
Gregori
macht nicht den Anschein, dass ihm dieser Bereich zusagt, er führt
mich weiter.
„Gibt
es denn hier nirgends eine Spielwiese für die Gäste mit
ausgeprägtem Drang zum Unanständig sein?“, fragt er eher
rhetorisch in meine Richtung. Ich zucke nur zur Antwort mit den
Schultern. Ich bin mir auch nicht mal ganz sicher, was er genau meint
und gieße mir ein neues Glas aus meiner mehr als halbleeren Flasche
ein. Und während ich das plätschernde Geräusch höre, überlege
ich, ob ich jemals an einem ausgeprägten Trinkgelage teilgenommen
habe. Als Mensch nicht, viel zu sehr war ich mit meiner
Weitere Kostenlose Bücher