Melville
erwähnte Tür zu. Ich
öffne sie ohne anzuklopfen und sehe dort vier Männer in
gewöhnlicher Straßenkleidung am Tisch sitzen. Sie arbeiten nicht,
also müssen sie auch keine Uniformierung tragen. Sie spielen Karten
und blicken etwas dumpf in die Runde, bevor sie sich zu mir drehen
und mich erkennen. James springt fast schon auf, lässt seine Karten
fallen und geht auf mich zu.
„Herr
Lancaster, was verschafft mir die Ehre?“.
„Ich
muss mit Ihnen reden, James, gibt es eine Raum in dem wir ungestört
sind?“.
„Natürlich.“.
James dreht sich zu den anderen und sie verstehen seine Not. Die
Räumlichkeiten dieser Zuflucht sind noch knapper bemessen, also
erheben sich die restlichen drei Ghule und verlassen schweigend das
Zimmer. James schließt die Tür hinter ihnen und deutet auf die eben
noch besetzten Stühle. Ich öffne die Knöpfe meines Sakkos und
nehme Platz. Er setzt sich zu mir und betrachtet mich aufmerksam.
„Wie
kann ich Ihnen behilflich sein?“. Ich überlege kurz, wie ich das
Gespräch angehen kann und beschließe durchaus direkt zu sein.
„James,
ich musste erfahren, dass Sie mit dem Gedanken spielen sich selbst
umzubringen.“. Ein Ruck geht durch seinen Körper und er wendet den
Blick von mir ab. Er scheint auch nicht zu wissen, was er darauf
sagen soll.
„Sie
verstehen sicherlich, dass ich Ihnen diesen Schritt nicht gestatten
kann.“.
„Ja,
Herr Lancaster.“, sagt er leise.
„Ich
weiß auch, dass es wohl die Erinnerungen an einige Ihrer Tätigkeiten
sind, die Ihnen das Leben schwer machen.“. Sein Kopf neigt sich
jetzt endgültig und fast berührt sein Kinn seine Brust.
„Ich
biete Ihnen die Möglichkeit von diesen Erinnerungen entbunden zu
werden. Ich kann dafür sorgen, dass Sie vergessen, was Sie gesehen
haben und somit wieder ein voll funktionsfähiger Butler für mich
sein können.“.
„Voll
funktionsfähig?“, fragt er schüchtern nach und auch hörbar
enttäuscht.
„Ja,
funktionsfähig. Haben Sie ein Problem damit, James?“. Er sieht
mich kurz an, seine Augen wirken müde und sein Gesicht fahl.
„Nein,
Sir.“.
„Gut,
James. Haben Sie nun Interesse am Vergessen?“. Er seufzt kurz
leise, er hat doch nicht erwartet, dass ich ihn in den Arm nehme und
tröste?
„Es
wäre schön, einiges zu vergessen, ja.“.
„Es
sind wohl die Dienste, die die Beseitigung meiner Opfer erforderten.
Gibt es noch etwas?“. Seine Körperhaltung wird immer gebeugter,
ich hatte keine Ahnung wie gramerfüllt mein Butler eigentlich ist.
„Die
Frau, die Sie in das Haus gebracht haben. Bei der ich half sie in den
Keller zu tragen.“. Ah ja, Marlene. Gut, das leuchtet mir ein.
„Noch
etwas?“. Er seufzt laut, atmet tief durch und antwortet
„Es
würde mir das Leben in Frankfurt erleichtern, wenn ich nicht mehr
wüsste, dass meine Frau und meine zwei Kinder in London auf ihren
Ehemann und Vater warten.“. Er hatte Familie, das wusste ich nicht,
ehrlich gesagt, habe ich auch nie gefragt.
„Ich
verstehe, James. Das sollte machbar sein. Werden Sie es noch einige
Nächte aushalten oder ist es akut? Ich möchte Sie nicht in Ihrem
eigenen Blut liegend hier im Badezimmer vorfinden müssen.“. Er
richtet sich etwas mehr auf, sieht mir direkt in die Augen und fragt
„Darf
ich ehrlich sein?“.
„Natürlich,
ich bitte darum.“.
„Es
könnte jeden Tag soweit sein. Ich fühle mich mit mir selbst nicht
sicher, wenn ich weiterhin Ihr treuer Diener bleiben soll, wäre ein
schnelles Handeln sicher unabdinglich.“. Ich fixiere ihn und mir
wird klar, dass er selbst in dieser Wohnung wahrscheinlich schon
Mittel und Wege vorbereitet hat.
„Dann
werde ich morgen Abend bei Ihnen sein und jemanden bei mir haben, der
sich Ihrer annehmen kann.“.
„Danke.“,
sagt er, doch seine Tonlage verrät etwas anderes. Nein, so kann ich
ihn wirklich nicht gebrauchen.
„James,
ich bin sehr zufrieden mit Ihnen und ich möchte Sie wirklich ungern
missen. Sie sind der Einzige in meinem Umfeld, der ein gewisses Maß
an Heimat vermittelt, egal wo ich bin und glauben Sie mir, wenn die
Dinge anders stehen würden, müssten Sie nicht in so einer Behausung
ausharren. Aber in einigen Nächten wird sich vieles ändern und dann
bin ich froh, Sie wieder in meiner Nähe wissen zu können.“. Er
lächelt, geschmeichelt durch meine Worte und sein erneutes Danken
klingt schon aufrichtiger. Ich stehe auf, er beobachtet mich. Ich
ziehe mein Sakko aus und lege es über die Stuhllehne, dann krempele
ich den
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