Melville
rechten Ärmel meines Hemdes ein wenig nach oben und er
beginnt zu begreifen, was ich vorhabe. Mein Geburtstag, sein
Geschenk.
Kurz
schmecke ich meine eigene Vitae, als ich, wie immer, in eine
Schlagader meines Handgelenkes beiße. Tief habe ich meine Reißzähne
versenkt, er soll gut versorgt werden. Ich halte ihm das
hervorquellende Blut entgegen und augenblicklich legen sich seine
Lippen an mich. Leicht besorgt betrachte ich ihn, während er mit
geschlossenen Augen seine Bestimmung neuerlich besiegelt. Ich darf
ihn nicht verlieren.
Sogar
ich fühle mich leicht benommen, doch nicht so sehr wie er. Er muss
mit der Befriedigung dieser tierischen Sehnsucht gestillt werden, bis
ich morgen wieder hier bin.
„Ich
möchte, wenn Sie sich etwas erholt haben, dass Sie mir sämtliche
Mittel zum Suizid aushändigen, die Sie bereits in der Wohnung
haben.“.
„Ja…“,
haucht er nur aus, die Augen geschlossen hält er sich am Tisch fest.
Es ist befriedigend zu sehen, wie mächtig das eigene Blut sein muss,
wenn es einen Menschen derart mitnimmt.
Einige
Minuten später, nachdem er sich für seine Schwäche mehrmals
entschuldigt hat, geht er mit einer Tasche durch die Wohnung und
sucht seine Hilfsmittel zusammen. Sein Anblick wirkt friedlicher,
gedämpft. Er wird es schon schaffen.
Er
kommt zurück, ich erhebe mich und nehme die Tasche entgegen. Mit
einem kurzen Blick erkenne ich mehrere Blister Tabletten,
Rasierklingen und auch sicher sämtliche Küchenmesser der Wohnung in
ihr. Ich nicke ihm zu, lege eine Hand auf seine Schulter und
verabschiede mich mit den Worten
„Ab
morgen bin nur noch ich Ihre Familie. Ich kümmere mich um Sie,
James.“.
Etwa
um Viertel nach zwölf fahren wir, Gregori, Elina, Annemarie und ich,
zur besagten Überraschung von Sophia. Ich bin nervös, ich habe
keinerlei Vorstellung, was mich erwarten könnte. Und dieser Umstand
beunruhigt mich fast schon etwas. Dennoch bin ich bester Laune,
schließlich wird mich wohl etwas Gutes erwarten. Die Stimmung ist
ausgelassen und wir lachen über Anekdoten aus Gregoris
Erfahrungsschatz, an denen er uns teilhaben lässt.
Ich
bemerke, dass Gregori den Wagen nach Offenbach steuert, doch nicht in
das Zentrum, eher etwas westlich, mitten in ein Waldgebiet hinein.
Der Wagen wird durchgeschüttelt vom unebenen Untergrund und
Annemarie jauchzt kindlich, was Gregori dazu antreibt, nicht
langsamer zu fahren. Eine Weile poltern wir so durch die Finsternis,
bis er an einem, für mich vollkommen willkürlichen Punkt anhält
und sagt
„So,
alle aussteigen. Jetzt geht es zu Fuß weiter.“. Also steigen wir
aus und unsere Fähigkeit in der Dunkelheit besser sehen zu können,
ist jetzt wieder einmal sehr praktisch. Vielleicht aus Angst oder
wegen der Verpflichtung mich zu schützen, nimmt Annemarie meine
Hand. Ein ganzes Stück laufen wir so über Stock und Stein und ich
will schon fragen, ob Wanderschuhe nicht angebracht wären, da sehe
ich einen Lichtkegel in der Entfernung. Zielstrebig führt uns
Gregori darauf zu und bald schon erkenne ich Sophia und Sergej in der
Nähe des kleinen Scheinwerfers. Doch nicht nur die beiden, nein,
eine gebückte Kreatur kauert am Boden, unbeweglich. Der Pflock in
der Brust zeigt mir deutlich, dass es sich um einen gebändigten
Kainiten handeln muss.
„Schön,
ihr habt es geschafft.“, sagt Sophia und dann zu mir gewandt
„Alles
Gute zum Geburtstag, Melville.“. Sie nimmt mich in die Arme und ich
drücke sie fest.
„Danke,
Sophia.“.
„Als
ich damals mit dir in der Übergangswohnung saß und gesehen habe,
wie du dein Glas Vitae trinkst, erinnerst du dich, was ich da zu dir
gesagt habe?“, fragt sie mich. Die anderen sehen mich an, gespannt,
welche Geschichte wir beide teilen. Ich überlege krampfhaft, aber
mir will es nicht einfallen. Ich weiß, auf welche Szene sie
anspielt, aber in dieser Nacht ist vieles passiert und dieser
Kommentar ist nicht mehr präsent.
„Nein,
es tut mir leid. Was hast du gesagt?“. Sie guckt erst gespielt
strafend und antwortet
„Dass
ich hoffe bald einen Ahn zu finden, den du trinken kannst, um zu
sehen, wie du dann reagierst.“. Gregori kichert leise, doch ich
merke, dass Elina eher besorgt zu mir schaut. Annemarie lässt meine
Hand los und bückt sich zu dem Vampir am Boden. Sie betrachtet ihn
eingehend.
„Du
meinst, das ist ein Ahn?“, frage ich erstaunt.
„Oh
ja, eines der Rudel hat ihn ausfindig gemacht und ihn mir als
Geschenk überlassen und nun kann ich meine Ankündigung
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