Melville
in die Tat
umsetzen. Ich schenke dir einen der Alten, es findet sich nicht oft
einer, also genieße es. Es kann Jahrzehnte dauern, bis du erneut
eine Chance erhältst.“. Ich schlucke leise. Ich habe selbst
realisiert, dass ich beim Trinken von starkem Blut etwas anders bin,
doch trotz meiner Bedenken läuft mir das Wasser förmlich schon im
Munde zusammen.
„Für
mich?“, frage ich noch einmal nach.
„Ja,
für dich… bis zum letzten Schluck. Aber es ist nicht mehr viel in
ihm, das Finderrudel hat sich schon etwas bedient.“. Ich sehe ihn
an, seine Kleidung zerrissen und auch etwas unmodisch, seine Haare
lang und ungepflegt, würde man nicht darauf kommen, dass er einer
der Ältesten und Erfahrensten der Unsrigen ist. Meine Fangzähne
treten bereits hervor und ich sehe Sophia ein letztes Mal an. Sie
nickt mir lächelnd zu und deutet auf mein Opfer. Mein Rudel bildet
einen schützenden Kreis um mich herum und ich gehe vor ihm auf die
Knie. Ich lege seine Haare zur Seite, um an seinen Hals gelangen zu
können. Er ist kalt und durch die Starre fast wie versteinert. Ich
zittere innerlich etwas vor Erwartung und zögere die Vorfreude noch
weiter hinaus. Ich beuge mich vor und wie ein Balsam legt sich der
Duft seines Blutes, welches unter seiner Haut liegt, auf meine Sinne.
Es lockt mich ihn zu trinken, ihn zu töten und einzuverleiben. Dann,
mit Kraft und schneller Bewegung, begleitet von einem tierischen
Laut, penetrieren meine Fänge seinen Hals. Die in mich schießende
Vitae ist wie ein Segen, der Caitiff von Alfred damals ist ein Witz,
im Vergleich zu diesem Moment. Ich trinke, ich sauge, beuge mich über
ihn, halte mich an ihm fest. Franse die Wundmale aus und bewege mich
mit den Zähnen in ihm, um keinen Schluck zu vergeuden. Ich kann
seinen inneren Kampf gegen mich schmecken, er wehrt sich, doch hat
keine Chance. Meine Haut kribbelt orgastisch verheißend und ich
fühle, wie seine Kraft in mich überfließt. Ich bekomme den Moment,
in dem er zu Asche werden müsste und in meinen Händen zergeht nicht
mit. Ich öffne die Augen und finde mich auf einem Wiesenhügel
posierend wieder. Ich stehe da, mächtig und unangreifbar. Vor mir
kniet mein Volk, wartet auf meinen Befehl, um endlich für mich in
die Schlacht ziehen zu dürfen. Ich fühle den warmen Wind um mein
Gesicht wehen und ich weiß, es hat noch keinen Herrscher vor mir
gegeben, dessen Untertanen so ergeben für ihren Angebeteten sterben
würden. Zwei meiner Gefolgsleute treten mit gesenktem Haupt zu mir.
Sie halten Zepter und Reichsapfel bereit. Ich fühle, wie ein Umhang
aus Samt und Hermelin um meine Schultern gelegt wird und voller Stolz
und Selbstzufriedenheit greife ich die goldene Herrscherkugel. Doch
als mir mein Zepter gereicht werden soll, holt mein Untertan
unerwartet aus und schlägt mir mit dem Zepter kräftig in das
Gesicht. Schwer fliegt mein Gesicht zur Seite, Zähne und Wange
brechen unter der Wucht, doch dieser Schmerz ist kein Vergleich zu
meiner Enttäuschung über seinen Ungehorsam. Ich will ihn gerade
packen und mein Volk dazu anhalten ihn umgehend in Stücke zu reißen,
da erkenne ich Sergejs Gesicht. Sergej? Und mit einem Mal stehe ich
wieder da, in dem kleinen Waldstück westlich von Offenbach und meine
engsten Vertrauten, bis auf Sergej, knien vor mir und scheinen mich
anzubeten. Doch um Sergejs Angriff auf mich abzuwehren hat Gregori
sich in eine wirklich furchterregende Kreatur verwandelt und
Annemarie bereits das Messer in der Hand. Einige Sekunden länger und
sie wären auf ihn losgegangen. Und mit Schrecken erkenne ich auch
Sophia in dieser demütigen Haltung und wie ihr Schatten in Richtung
Sergej wabert und bereit ist, ihm die schrecklichsten Dinge anzutun.
Was auch immer von mir ausgehend auf sie einwirkte, ich lasse alle
Disziplinen von mir abfallen. Da heben sich ihre Köpfe, umgehend
stellen sie sämtliche aggressiven Handlungen ein und blicken mich
an. Verwunderung, Zorn und auch Angst liegen in ihren Augen. Über
sich selbst schockiert formt sich Gregori in seine zivile Gestalt
zurück und fragt als Erster
„Was
war das? Melville! Was war das?“. Ich kann nicht antworten, noch
muss ich meine Wunden heilen, doch es geht schneller und mit weniger
Schmerz als ich es ja schon von früher kenne. In diesem Punkt
scheine ich mich verändert zu haben, dieser Ahn hat mich verändert.
Ich blicke kurz zu Boden und sehe seine staubigen Reste, ja, ich habe
ihn zu Fall gebracht. Und beinahe nicht nur ihn.
„Soll
ich ihn
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