Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
Vom Netzwerk:
kommt Nachricht, daß er geschworen hat, mich zu töten. Er zieht mit seiner Bande auf das Dorf zu. Er werde mein Blut wie Sirup trinken, verkündet er überall. Jetzt frage ich dich, was will er von einem Greis, der ohnehin schon mit einem Fuß im Grabe steht, der nur für Glauben und Gebet lebt und sich nicht um die Dinge dieser Welt kümmert ... Ich bin aus dem Dorf geflohen, aus meinem Heim, von diesem Verfluchten war das Schlimmste zu erwarten. Hüseyin Aga von Aktozlu ist ein Verwandter von uns, zu ihm bin ich gegangen und habe mich in seinem Haus verborgen. Ach, das hätte ich nicht tun dürfen. Das ganze Dorf ist zu Asche geworden, und das alles meinetwegen.«
»Wärst du doch zu uns gekommen«, sagte die Frau, »dann wäre so etwas nicht möglich gewesen.«
»Ach, wie konnte ich das alles wissen, mein Töchterchen? Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, daß dieser Verfluchte wirklich so etwas tun würde. Ein ganzes Dorf niederzubrennen! Die armen Leute standen nackt und bloß im Freien. Das Elend dreht einem das Herz um, sie haben nichts zu essen, nichts, womit sie sich kleiden könnten. Im Winter werden sie bitteren Hunger leiden. Den meisten ist auch das Vieh verbrannt. Wenn mir niemand leid tut, das Elend dieser Unschuldigen jammert mich. Da vergesse ich meine eigene Not. Ich habe Ali den Hinkenden in mein Dorf geschickt, der soll den Ärmsten Korn bringen. Wahrhaftig, mir blutet das Herz. Stell dir vor, mein schönes Töchterchen: Kaum hat dieses Ungeheuer meinen Aufenthalt ausfindig gemacht, so zieht er mit seiner Bande los. Mitten in der Nacht höre ich nach mir rufen. Ich wußte sofort, daß nur er es sein konnte, denn noch in der Nacht zuvor hatte ich von ihm geträumt. Mein Herzschlag stockt einen Augenblick. Aber Hüseyin Aga liefert mich ihnen nicht aus. So etwas tut der nicht. Darauf fängt der Verfluchte an, die Tür mit einem Kugelregen zu überschütten. Bring deine Familie hinaus, befahl er Hüseyin Aga. Das tut er auch - was blieb dem armen Kerl denn anderes übrig? Aber ich habe mich von drinnen verteidigt. Da hat der Verfluchte das Haus in Brand gesteckt. Das große Haus brennt wie Zunder, während sie zu dritt auf die Tür feuern. Zwischen Flammen und Rauch laufe ich im Kreis umher. Ein-, zweimal war ich soweit, mich hinauszustürzen. Dann habe ich mir gesagt, lieber bei lebendigem Leibe verbrennen, als diesen Teufeln in die Hände fallen. Die roten Flammen sind über mir, der Qualm hüllt mich so dicht ein, daß ich die Tür nicht mehr sehen kann. Meine armen Bauern, denke ich ... Wenn ich nicht mehr bin, dann müssen sie in fünf Dörfern Hungers sterben. Ja, mein Töchterchen, meine Kleider fingen schon an zu brennen ... In meiner Todesangst werfe ich mich auf den Boden, wälze mich hin und her. Auf einmal höre ich eine Stimme an meinem Ohr. Abdi Aga, Abdi Aga! Das war die ältere von Hüseyin Agas Frauen. Sie hat mich mitten im Feuer gesucht! Hier bin ich, Schwester, sage ich. Komm, sagte sie, hierher, wo das Blech ist. Ich wickle dich in die Decke. Und sie packt mich ganz in einer großen Bettdecke ein - wie groß bin ich schon - und schleppt mich hinaus. Dieser Gottlose denkt jetzt, ich wäre verbrannt. Ja, wenn die Frau nicht gewesen wäre ... «
Die Augen der Frau standen voll Tränen. »Wie gut, daß sie nicht darauf gekommen sind, Abdi Aga. Diese Ungläubigen hätten dich getötet ... «
Auch die Augen von Abdi Aga wurden feucht. Um ein Haar hätte er geweint.
»Dann«, sagte er, »haben sie gewartet, bis das Haus in Schutt und Asche lag. Danach steckten sie ein Haus nach dem anderen in Brand. Nun ja, sie haben Hüseyin Agas Haus angezündet. Wegen mir. Aber Hüseyin ist reich. Es macht ihm nichts aus, an der gleichen Stelle ein neues Haus zu bauen. Was zum Teufel haben diese Verdammten und Gottlosen aber in den anderen Häusern verloren? Der Winter steht vor der Tür. Wie sollen diese Armen, nackt und ohne Dach über dem Kopf, ihn überstehen? Ihr Gottlosen hättet besser abhauen sollen, nachdem ihr Hüseyin Agas Haus niedergebrannt habt. Was haben die armen Bauern euch getan? Nur diese Armen dauern mich, sonst niemand.«
Die Frau ergriff erneut das Wort: »Ach, und die armen Leute! Ohne Haus und Habe müssen sie diesen Winter in der Kälte zittern, ohne Nahrung ... Aber wenn das mit dem Dorf Vayvay erst in Ordnung ist, dann wird Ali Safa Bey nicht einen einzigen Banditen in den Bergen übriglassen. Eine Depesche nach der anderen wird er abschicken. Nach Ankara ... An Ismet

Weitere Kostenlose Bücher