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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Dorf Aktozlu, nur um mich zu vernichten. Ich küsse deine Fußsohlen, Ali Safa Bey, aber rette mich aus den Händen dieses Ungeheuers! Onkel Abdi wird sich für dich aufopfern ... Ali Safa Bey! Wie das Schwert des Todesengels! Ich habe keine Minute mehr Ruhe vor ihm ... «
»Hör mal, Abdi Aga«, sagte der Bey etwas belustigt, »ich habe mir sagen lassen, dein Ince Memed soll nur ein spannenlanges Kerlchen sein.«
»Was?« schrie der Aga aufspringend. »Glaube das nur ja nicht! Der ist in die Höhe geschossen wie eine Pappel; ich habe ihn ja selbst gesehen, als er das Haus angezündet hat. Er ist so groß wie wir beide zusammen! Die Leute lügen, sage ich dir. Glaubst du, so ein Däumling wäre zu all diesen Untaten fähig? Ein Riese ist er, ein Dämon, dieser Verfluchte!« »Mach dir darum keine Sorgen, Aga«, sagte Ali Safa Bey beruhigend, »wir werden schon Mittel und Wege finden. Nun trink erst mal einen Kaffee.«
Abdi nahm zitternd das duftende Getränk entgegen, das ihm die Dienerin reichte, und trank unter lautem Schlürfen.
Ali Safa Beys Frau setzte sich zu ihm. »Mögest du bald genesen, Aga! Das Herz hat uns geblutet, als wir erfuhren, wie es dir ergangen ist, du Ärmster. Aber Ali Safa Bey wird schon mit diesem Gottlosen fertig werden. Du kannst ganz beruhigt sein.«
Seit er aus dem Brand davongekommen war, erzählte Abdi Aga jedem, der ihm über den Weg lief, des langen und breiten von seinen Erlebnissen. jeder mußte seine weitschweifigen Schilderungen über sich ergehen lassen, ob er wollte oder nicht. Die ihn anhörten, bedauerten ihn und verfluchten Ince Memed. Der Landrat, der Kommandant des Gendarmeriereviers, Gendarmen, der Gemeindeschreiber, Stadtbewohner und Bauern, alle bezeugten ihm ihr Mitgefühl. Wenn er unter Tränen von seinen schrecklichen Erlebnissen berichtete, konnte niemand ungerührt bleiben. Sein Gesicht nahm dabei einen so jammervollen und verstörten Ausdruck an, daß man ihm seine Leiden glaubte, bevor er noch den Mund auftat.
»Ja«, sagte die Frau, »uns allen hat das Herz geblutet. Die Frau des Landrats war gestern bei uns. Der Landrat sei außer sich, sagte sie. Feuer hat er gespuckt. Der Kerl muß zur Strecke gebracht werden, koste es, was es wolle, hat er gesagt. Und sie sagt, sie will unbedingt den Mann sehen, der mit heiler Haut aus diesem furchtbaren Feuer herausgekommen ist. Aber laß nur erst Ali Safa Bey die Sache mit dem Dorf Vayvay unter Dach haben, dann wird er es den Banditen zeigen! Dann läßt er keinen einzigen von ihnen übrig. Wirklich, es hat uns alle um dich gejammert.«
Ali Safa Bey ging derweilen gedankenvoll, mit der Peitsche an seine Stiefel schlagend, durch das ganze Haus.
»Oh, Töchterchen«, begann Abdi Aga mit verkrampftem Gesicht und zitternden Lippen, »was ich durchgemacht habe, das hat noch kein Mensch erlebt. Oh, mein schönes Töchterchen! Veli, das war mein Neffe, mein ganzer Stolz, mit seinem Wuchs wie ein junger Baum. Hatçe war seine Braut. Und dieser Ungläubige hat Hatçe entführt. Meinetwegen! Wenn sich zwei Herzen einig sind - dagegen ist kein Kraut gewachsen. Konnte Veli vielleicht kein anderes Mädchen bekommen? Bah, an jedem Finger zehn! Schließlich bin ich Aga über fünf Dörfer, und das war schon mein Vater und mein Großvater. Gut, habe ich gesagt, er hat die Braut meines Neffen entführt, er soll trotzdem zurückkehren und im Dorf wohnen, anstatt in der Fremde zu verkommen. Meine Bauern sind für mich ja alle wie meine Kinder. Doch es heißt auch: Füttere eine Krähe, sie wird dir die Augen aushacken. So heißt es, aber ich habe es nicht glauben wollen. Barmherzigkeit zieht Übel nach sich, sagen sie. Ich habe nicht darauf gehört, und ich bin für meinen Unverstand schwer bestraft worden. Hätte ich ihn nur in der Fremde darben lassen ... Nun, ich habe die Schlange an meinem Busen genährt und damit meinen Todfeind. Dann haben sie meinen Neffen getötet und auch mich verwundet. Fast wäre ich auch gestorben. Das habe ich von meinen Wohltaten gehabt ... «
»Armer Abdi Aga!« rief die Frau aus. »Aber wie kann man auch nur solchen Leuten Gutes tun! Mein Ali Safa Bey tut nie jemandem etwas Gutes.«
»Nein, man muß sich davor hüten«, sagte Abdi Aga mit Nachdruck. »Mir ist es gründlich vergangen. Was tut dieser undankbare Hungerleider? Er beißt in die Hand, die ihm Brot gereicht hat. Er schießt mich nieder, flieht in die Berge und mischt sich unter die Banditen. Soll er, dachte ich, Allah wird ihn strafen. Eines Tages

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