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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Macht zu sichern, bedient hätte. Wenn einer keine Bande mehr zu seiner Rückendeckung finden konnte, so tat er das Seine, um einen neuen Plündererhaufen auf die Beine zu bringen. Kein Wunder, daß der Taurus von Banditen wimmelte. Die Streitigkeiten der Agas der Ebene wurden jetzt von ihren Söldlingen in den Bergen ausgetragen. Die Banden fielen übereinander her; das Treiben forderte seinen Blutzoll unter ihresgleichen und unter dem armen Volk in der Ebene. Der Landbesitz der Agas wuchs.
Ali Safa Bey war der Sohn eines verarmten Agas. Sein Vater hatte es trotz seiner Armut fertiggebracht, ihn erst nach Adana aufs Gymnasium, dann nach Istanbul auf die juristische Hochschule zu schicken. Ohne seine Studien abgeschlossen zu haben, war er dann als Advokat in der Kreisstadt aufgetaucht. Nachdem er nacheinander alle möglichen Geschäfte betrieben hatte, war er schließlich auf den Gedanken gekommen, sich auf den Grunderwerb zu verlegen.
Zuerst brachte er es mit allerhand Advokatenkniffen dahin, daß die Ländereien, die sein Vater einst hatte veräußern müssen, aus dem Besitz der Bauern wieder in seine Hände gelangten. Sein Landhunger, einmal geweckt, war nun nicht mehr zu sättigen.
Die Bauern waren nicht mehr die gleichen wie zur Zeit der ersten Zwangsansiedlung und in der ihr folgenden Epoche. Sie hatten längst begriffen, welcher Wert in diesem Boden steckte, und klammerten sich mit aller Macht an ihn. Zwischen ihnen und Ali Safa Bey kam es zu einem jahrelangen Kampf, in dem der gescheiterte Rechtskundige eine schurkische Schläue zeigte. Immer wieder fand er neue Schliche, um den Bauern mehr und mehr Land abzujagen. Zunächst bestand seine Taktik darin, daß er zwei Dörfer gegeneinander ausspielte, die Partei der einen Seite ergriff und mit ihrer Hilfe den Boden der anderen an sich brachte. Das war zwar der einfachste Weg für ihn, aber dieses Verfahren ließ sich nicht allzulange anwenden. Die Bauern, die er gegeneinander aufgehetzt hatte, begriffen bald, wer der lachende Dritte war. Als sie endlich zu dieser Erkenntnis gekommen waren, zeigte es sich, daß sie sie mit dem Verlust der Hälfte ihres Bodens hatten bezahlen müssen. Die Güter Ali Safa Beys hatten sich inzwischen um die Landfläche von zwei bis drei Dörfern vergrößert.
Im Lauf der Jahre kam er immer wieder auf neue Einfälle. Natürlich wurden seine neuen Winkelzüge mit der Zeit durchschaut, aber Ali Safa Bey war dennoch stets der Gewinner. Von Jahr zu Jahr konnte er seinem Reich ein weiteres Stück hinzufügen. Als er die Dinge schließlich so weit getrieben hatte, daß weit und breit alles vor ihm auf der Hut war, mußte er andere Wege gehen.
Wozu waren die Berge voller Plünderer, Deserteure, flüchtiger Mörder und Aufrührer? Er schreckte nicht davor zurück, sich diese wilden Gesellen dienstbar zu machen, und wurde schnell mit ein paar Bandenführern handelseins, nicht ohne einige seiner eigenen Leute zu ihnen in die Berge geschickt zu haben, um ganz sicherzugehen. Nun ließ er die Banditen auf die Dörfer los. So wurde er bald zum unumschränkten Herrscher des Gebietes, und wehe dem Bauern, der es wagte, das Haupt gegen ihn zu erheben! Ihm wurde eines Nachts das Haus eingerissen, die Frau verschleppt, er selbst vielleicht zu Tode gefoltert ... Alle Welt wußte, daß Ali Safa Bey hinter diesen Dingen stand, aber nie wurde ihm ein Haar gekrümmt. Die Gendarmen, die die Räuber verfolgten, mußten dran glauben.
Andere Agas folgten dem Beispiel. Die Erde der Çukurova rötete sich vom Blut. Die Banden in den Bergen splitterten sich in einander feindliche Gruppen auf. Es kam vor, daß eine sich über Nacht in nichts auflöste und eine neue sich bildete. Nur ganz wenige Banditen, Gizik Duran, Reşit der Kurde und Cötdelek, widerstanden den Werbungen der Agas und taten das ihre, um das gequälte Volk vor den Söldlingshaufen und ihren Auftraggebern zu schützen. Die Erinnerung an diese Männer ist im Taurus noch heute durch Lieder und Balladen, die von Mund zu Mund gehen, lebendig. Die anderen, die sich damals durch ihre blutige Schreckensherrschaft einen Namen machten, sind längst vergessen.
Eben in jenen Tagen, als sich die Banditen zum Nutzen der Agas gegenseitig zerfleischten, als die ihres Bodens beraubten Bauern unter der Fronherrschaft stöhnten, ging Ince Memed in die Berge.
Aus Ali Safa Beys zwanzigtausend Dönüm Land waren am Ende des ersten Jahres dreißigtausend geworden. In den folgenden Jahren wuchs es stetig weiter von

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