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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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ab und zog sich die Decke über den Kopf
Inzwischen hatte auch der Lärm im Raum aufgehört. Nur einer saß noch in der Ecke, über seine Saz gebeugt, und entlockte ihr Töne, zu denen er mit leiser, tiefer Stimme Lieder sang. Sein längliches Gesicht nahm im Schimmer der Petroleumlampe abwechselnd alle möglichen Formen an, es zog sich noch mehr in die Länge, dann verkürzte es sich wieder und ging in die Breite ... Lange hörte Memed ihm zu; erst als der Sänger sein Instrument an einen Nagel an der Wand gehängt hatte, kroch auch er unter die Decke. Es fiel Memed wie Schuppen von den Augen.
Er fand keinen Schlaf, zu viele Gedanken schwirrten in seinem Kopf herum. Zum ersten Mal war ihm die ganze Weite der Welt bewußt geworden. Was war schon Değirmenoluk? Ein Pünktchen auf der großen Erde. jetzt sah er den großmächtigen Abdi Aga wie eine Ameise vor sich. Hatten seine Gedanken erst einmal den enggezogenen Lebenskreis der schicksalsergebenen Machtlosigkeit gesprengt, so wurden sie auch schon leidenschaftlicher. Sehnsucht mischte sich hinein. Gleichzeitig stieg Haß in ihm auf. Er fühlte sich als Mann. In dieser Nacht, als er sich auf seinem Lager hin und her wälzte, dachte er zum ersten Mal: Abdi Aga ist ja auch nur ein Mensch wie ich ...
Als Mustafa ihn früh am Morgen anstieß, erwachte er nicht. Erst als ihm der Freund die Decke wegzog, richtete er sich auf mit bleichem Gesicht und verschwollenen Augen. Aber in seinen Zügen war eine neugewonnene Sicherheit, in seinen Augen das Glück, das von Gedanken kommt, die zu einem Ziel geführt haben.
Als sie ihr Quartiergeld gezahlt hatten und sich zum Gehen anschickten, fragte Memed den Herbergshalter nach Korporal Hasan.
»Wir möchten ihm gern Lebewohl sagen.«
»Ach der, der Zuhälter? Der ist noch bei Nacht aufgestanden, hat sein Zeug aufgeladen und ist damit losgezogen, um es den Dörflern aufzuschwatzen. Er kommt erst in zehn Tagen wieder hierher. Also vergeßt den Zuhälter.«
Es tat ihnen leid, den Alten nicht noch einmal sehen zu können.
Auf dem Basar blieben sie wieder bewundernd stehen. Die Sonne brannte schon heftig. Diesmal drängte sich auf dem Markt eine Menschenmenge, wie sie sie noch nie gesehen hatten. Sirup-Verkäufer mit ihren Messingbehältern auf dem Rücken klapperten lockend mit den Messingtrinkschalen und sangen ihr Lied in die Runde.
»Sirup! Sirup! Honigsirup! Süßholzsirup! Jeder bedauert es, wenn er davon trinkt und wenn er nicht davon trinkt!«
Die Sonnenstrahlen spielten so lebhaft auf den Messinggefäßen, daß sich Memed einem der Händler näherte, nur, um das goldglitzernde Metall besser betrachten zu können. »Gib mir einen Sirup. Meinem Kameraden da auch.« Als sich der Mann zu ihm vorbeugte und eine Schale mit dem Getränk füllte, ließ Memed seine Hand scheu über die glatte Messingfläche gleiten. Der Sirup war kühl und schäumte vielversprechend, aber er schmeckte ihnen nicht. Sie brachten beide nur die Hälfte hinunter.
In einer Ecke des Marktes saß ein Mann auf einem großen Baumstumpf und hämmerte ein Hufeisen. Im Takt der metallischen Hammerschläge sang er Lieder. Das war der stadtberühmte blinde Haci, ein MekkaPilger. Dann stieg ihnen ein verlockender Geruch in die Nase, der Geruch von Kebab. Sie drehten sich um und sahen dicken Rauch aus einem verfallenen Ladenbau strömen. Der Qualm verbreitete einen so starken Geruch nach Fleisch und Fett, daß sie wie willenlos in die Kebabstube eintraten. Überrascht über die freundliche Begrüßung, setzten sie sich und warteten auf ihre Gerichte. Memed sah den Basar, die Stadt und die ganze Welt jetzt mit anderen Augen als gestern, als wären seine Füße und sein Herz von Fesseln befreit worden. Er fühlte sich frei, die Weite war in ihm und die Schwerelosigkeit eines Vogels.
Schüchtern aßen sie ihr Kebab, als sähen die Leute nur auf sie. Wie betäubt verließen sie die Kebabstube. Nachdem sie den Basar dreimal von einem Ende zum anderen durchstreift hatten, drehte sich Memed zu Mustafa. »Und über alledem hier soll es keinen Aga geben!«
»Stell dir das vor, ein Ort ohne einen Aga!«
Dann traten sie in einen Stoffladen. Memed wählte einen gelben Seidenstoff aus, preßte ihn in der Hand zusammen und öffnete die Hand wieder. Das leichte Gewebe entglitt seiner Handfläche, und er war überzeugt, daß es wirklich Seide sei. Als sie mit dem Kauf wieder draußen waren, zwinkerte Mustafa:
»Für Hatçe, wie?
Du bist klug!« lächelte Memed.
Sie kauften Helva bei dem

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