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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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lächelte plötzlich.
»Was lachst du?« wollte Mustafa wissen. Memeds Lächeln wurde noch breiter.
»Nun, sag's schon«, drängte Mustafa.
Memed wurde ernst. »Allah weiß, ob dieser Mann nicht selbst Ahmet der Mächtige war! Ich glaube, er war es wirklich.«
»Dummes Zeug.«
Memed wurde zornig. »Warum. dummes Zeug? Der Kerl war Ahmet der Mächtige, sage ich dir!
Ach, geh mir doch mit deinem Blödsinn! Ein Mensch wie wir alle - der aussieht wie mein Großvater! Was war denn an dem, was an Ahmet den Mächtigen erinnert?«
»Das Mal! Hast du das grüne Mal nicht gesehen? Mitten auf der Stirn!«
»Nein. Nichts habe ich gesehen.«
»Und seine Augen! Geleuchtet haben sie wie Kienholz!«
»Unsinn.«
»Seine Augen funkelten wie Kristall.«
»Ich habe es nicht gesehen.«
»Und ich sage dir, dieser Mann ist Ahmet der Mächtige und kein anderer!«
Mustafa lachte spöttisch: »Ha - wenn Ahmet der Mächtige so aussehen würde, dann wäre die ganze Welt voll von Ahmet den Mächtigen.«
Unter solch hitzigen Gesprächen waren sie am Fuße des rückwärtigen Hanges angekommen. Vor ihnen lag eine Ebene mit einem Pappelgehölz, durch das sich ein Fluß schlängelte. Bis zum Horizont sah man ihn in der Sonne glitzern. Sie standen staunend, eine solche Landschaft, ein solch langer, schimmernder Wasserlauf war ihnen noch nie vor Augen gekommen.
»Jetzt sind wir nahe dran«, sagte Memed.
»Woher weißt du das?« fragte Mustafa.
»In der Çukurova machen alle Flüsse Schlangenlinien. Dies hier muß der Savrun sein, meine ich. Der Pappelwald muß zur Mühle von Kadirli gehören. So hat es Onkel Dormuş Ali beschrieben!«
Mustafa glaubte, Memed sei böse mit ihm. Memed wurde nicht leicht zornig, aber wenn es einmal soweit war, dann war mit ihm nicht gut Kirschen essen. Deshalb bemühte sich Mustafa, ihn versöhnlich zu stimmen.
»Ja, klar. Das ist die Çukurova. Du hast gut aufgepaßt bei dem Onkel ... «
Als sie nach Şabapli kamen, mußten sie, die Schuhe in der Hand, ein überschwemmtes Wegstück durchwaten. Unterhalb Şabapli, dort, wo jetzt Bolat Mustafas Haus ist, breitet sich dichtes Buschwerk aus auf roter Erde, die in weißen Boden übergeht. Hinter dem Buschwerk konnten sie die ersten Häuser der Stadt sehen. Ein Teil davon waren Grashütten, aber dazwischen war ein großer Bau mit richtigen Dachziegeln zu erkennen. Und hinter dieser Häusergruppe erstreckte sich jetzt der ganze Ort, eine Spielzeugstadt mit blitzenden Blechdächern, weißgetünchten Häusern und roten Ziegeln. Memed und Mustafa starrten mit aufgerissenen Augen auf die fremde Welt. Noch nie hatten sie so viele Häuser gesehen, und wie blendend weiß sie alle waren!
Als sie den schmutzigen Bach durchquert hatten, lag die Stadt vor ihnen. Die Sonne glänzte auf den Fensterscheiben. Tausende von glänzenden Fenstern ... Kristallpaläste ... Wie Dursun gesagt hatte. Wie die Stadt, wie die Paläste des Feenkönigs.
Am Ortseingang, zu beiden Seiten der Straße, lag ein Friedhof. Die dunkel gewordenen, schräg geneigten Grabsteine waren an der Nordseite mit Moos bedeckt. Zwischen den Gräbern erhob sich ein gewaltiger Maulbeerbaum mit kahlen Ästen. Der Friedhof verfolgte ihre Gedanken auf dem Wege zum Basarplatz, sie hatten ihn entdeckt wie furchterregendes Neuland und konnten ihn erst vergessen, als sie zum ersten Laden des Marktes, einer blechgedeckten Bude, gelangt waren. Der Händler hatte auf einem langen Tisch eine Reihe Gläser mit buntem Zuckerzeug zur Schau gestellt. Vor dem Tisch waren Petroleumkanister und Kisten mit Zucker, Salz, Feigen und Weintrauben aufgebaut.
Gaffend standen sie eine Zeitlang vor den ausgebreiteten Schätzen. Dies alles war so ganz anders als Abdi Agas Krämerladen. Als sie, überall schauend und staunend, bis zur Mitte des Marktplatzes gekommen waren, sank schon die Sonne hinter den Hügeln. Bei einem Stoffhändler blieben sie stehen. Hier gab es bedruckten Kattun mit Mustern, die ins Auge stachen, Stoffe für Pluderhosen, viele Mützen, an einer Leine aufgereiht, Ja sogar Seide hing über die ganze Breite des Ladens zur Schau. Vor diesen Herrlichkeiten stand ein kleiner, fetter Mann, der vor sich hindöste.
Der Boden, auf dem sie standen, war gänzlich mit großen Flußkieseln gepflastert. »Sogar den Boden haben sie verziert«, ging es Memed durch den Sinn. Unter einer Reihe alter, verkrümmter Maulbeerbäume hatten die Hufschmiede ihren Platz. Der unverwechselbare Basargeruch von Seife, Salz, neuen Stoffen, Speisen und Fäulnis

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