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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Handschuhe überstreifen und die Kappen aufsetzen. Die Prozedur ist ihnen offenbar vertraut.
    »Fass mich nicht an«, zischt Partridge seinem Techniker zu. »Oder hast du damit ein Problem?« Der Mann bleibt stocksteif stehen und beaufsichtigt ihn beim Ankleiden. Doch an die Bänder am Rücken des Kittels kommt Partridge nicht heran, sodass er sich doch helfen lassen muss. Aus unerfindlichen Gründen ist ihm das unglaublich peinlich – als wäre er ein kleines Kind, das sich nicht mal die Schuhe binden kann. Mit der aufgeplusterten Plastik-Badekappe auf dem Kopf kommt er sich lächerlich vor, die Handschuhe schneiden ihm in die Handgelenke, und als er den ersten Schritt macht, stellt er fest, dass die Schlappen genauso rutschig sind, wie sie aussehen. Er fühlt sich erniedrigt, und vielleicht gehört auch das zum Plan seines Vaters. Vielleicht will er ihn auch dadurch manipulieren.
    Von einem halben Dutzend Techniker werden sie durch eine automatische Tür getrieben, vorbei an zwei schwer bewaffneten Wachen, und biegen in einen Flur mit lauter leeren Zimmern ein. Nur im Schwesternzimmer wird emsig gearbeitet. In diesem Bereich der Klinik liegt nur ein Patient: Ellery Willux.
    Vor der Tür am Ende des Flurs bleiben die Techniker stehen. »Im Zimmer ist eine Wache postiert«, sagt einer von ihnen. »Ansonsten hat er darum gebeten, dich allein zu sprechen.«
    Alle starren Partridge an – die Techniker, die Ärzte, die Krankenschwestern, Iralene und Beckley, selbst die schwer bewaffneten Wachen auf der anderen Seite der Glastür.
    »Meinetwegen.« Partridge nickt und will schon eintreten, doch er spürt Iralenes Hand am Ellenbogen. Als er sich umdreht, küsst sie ihn auf die Wange. Alles seufzt, als hätten sie noch nie so etwas Herzerwärmendes gesehen, und Iralene scheint gar nicht zu bemerken, wie sehr er sich sträubt. Stattdessen tippt sie seine Nase ganz leicht an, als wäre das ein geheimes, verspieltes Zeichen. Partridge blickt sich zwischen den glotzenden Gesichtern um.
    »Viel Glück«, flüstert Iralene.
    Er legt die Hand auf die Tür. Kurz bevor er sie öffnet, wird er von einer beispiellos unlogischen Hoffnung überflutet – dass ihn dahinter kein Krankenzimmer erwartet, sondern ein kleines Wohnzimmer, in dem sein gesunder Vater neben seiner Mutter sitzt, und am Fenster steht Sedge. Sie erzählen ihm, dass das alles nur ein Test war, ein Ritual, das jeder Heranwachsende durchlaufen muss, seit Generationen schon. »Wir sind wieder eine Familie«, sagt seine Mutter, und aus einer Tür an der Seite tritt Lyda.
    Aber das ist Wahnsinn. Beißender, quälender Wahnsinn.
    Er drückt die Tür auf und tritt ein.
    Zuerst sieht er den Wachmann, den der Techniker angekündigt hat. Er steht in Habachtstellung neben einem Bett, das von einem durchsichtigen, rechteckigen Zelt bedeckt wird. Die Plastikplane zieht sich zittrig zusammen und plustert sich zögerlich auf, als würde das Zelt atmen. Irgendwelche Pumpen schnaufen und zischen, andere Geräte tschilpen und piepen. Partridge kann nur eine Anzeige identifizieren – den Herzschlag seines Vaters.
    Diese Maschinen sollen den Tod fernhalten. Doch der Tod ist schon hier im Zimmer.
    Eine Minute lang denkt Partridge an den Mann, der ihn als Baby im Arm gehalten und an manchen Abenden ins Bett gebracht hat, an den Mann, der von Beginn an zu seinem Leben gehört hat. Und wenn er noch so bösartig ist, selbst wenn er ein Massenmörder ist – der größte, ehrgeizigste Mörder der Geschichte –, ein Teil von Partridge wird nie vergessen, dass er sein Vater ist. Man kann den eigenen Vater hassen und fürchten wie niemand anderen, doch tief im Inneren verliert man nie die Hoffnung, dass er einen eines Tages retten wird. Partridge fühlt sich schwach. Er erinnert sich an Lydas Worte – dass er immer noch von seinem Vater geliebt werden will.
    Da hört er seine Stimme. »Partridge.« Partridges Wangen flammen auf, sein Herz überschlägt sich. Dieser Mann hat seine Mutter und seinen Bruder ermordet – auch das wird er ihm nie vergessen. Als er sich dem Zelt nähert, kann er das Gesicht seines Vaters erkennen, ein rotes Oval mit rauer Haut. Sein Hals und eine Hand sind geschwärzt, als wäre die Haut vollständig abgestorben. Die Hand wirkt verdorrt, eine Klaue, die zusammengerollt auf der Brust liegt, als müsste sie das Herz beschützen.
    Als sein Vater einen Knopf am Bettrand betätigt, fährt sich das Plastikzelt an einer Seite ein. Seine Augen sind geschlossen,

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