Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
ihm zu. »Es riecht nach Sterblichkeit. Nach Tod.«
Partridge erinnert sich an den Gestank nach Asche und Tod, den der Wind draußen in alle Richtungen trägt. Blutgestank. Das Eisenaroma der Luft nach dem Mord an seiner Mutter und seinem Bruder. So riecht der Tod.
Die Leute nicken ihm lächelnd zu, ihm und Iralene. Obwohl Iralenes Gesicht immer noch hinter dem Taschentuch verschwindet, sieht er ihr an, dass sie zurücklächelt.
»Wir sind ein Pärchen«, erklärt Iralene. »Ich habe dir während des Komas beigestanden. Mein Name war das Erste, was dir über die Lippen gekommen ist, als du aufgewacht bist.«
»Iralene …«
Sie schüttelt den Kopf. In ihren Augen schimmern Tränen, doch irgendwie bringt sie ein Lächeln zustande. »Du hast recht. Es gibt viele Wahrheiten. Ich kann mir immer die aussuchen, die mir gerade gefällt. Und so kann es auch für dich funktionieren, wenn du willst.« Sie lässt ihre Finger in seine Hand gleiten und streift dabei die Kappe auf dem nachwachsenden Stummel.
Partridge spürt die Blicke der Leute. Er kann seine Hand nicht losreißen – die Leute würden denken, er hätte sie zurückgewiesen, Gerüchte würden in Umlauf geraten, und er würde Iralene zutiefst verletzen. Womöglich würde er sie sogar in Gefahr bringen. Das hier ist ihre Rolle im Leben, ihre Mission. Und da er sich weigert, seinen Vater umzubringen, muss diese Wahrheit Bestand haben – vorerst. Aber was wird er seinem Vater sagen, wenn er ihn sieht?
Die Monorail gleitet durch Tunnel und hält an hell erleuchteten Bahnsteigen. Leute, die aussteigen, nicken ihnen zu; Neuankömmlinge wirken überrascht, sie hier zu sehen. Partridge blickt aus dem Fenster. Als der Zug wieder mal durch einen Tunnel rauscht, blinzelt ihm nur sein eigenes ratloses Spiegelbild entgegen, und für einen Moment kann er sich vorstellen, Lyda wäre da draußen, auf der anderen Seite der Scheibe. Er will ihr sagen, dass er sie nicht betrügt, dass das alles vorübergeht. Dass er zurückkehren wird, um sie zu holen.
Abrupt kommt der Zug zum Stillstand. Beckley steht als Erster auf, als bräuchten sie einen menschlichen Schild für den Weg zum Ausgang, und Partridge löst seine Hand aus Iralenes Griff. Er hat keine Lust, von nun an ununterbrochen Händchen zu halten.
Als sie über den strahlenden Bahnsteig ins Neonlicht des Medizinischen Zentrums gehen, registriert Partridge einen wirklich widerlichen Geruch – nicht nach Menschen, sondern nach ätzenden Desinfektionsmitteln, die die Seuchen übertünchen sollen, und dazu den scharfen Schwefelduft der Konditionierungen. Er erinnert sich, wie er mit den anderen Jungs in die Kammern geführt wurde, wo sie sich ausziehen und in die Mumienformen legen mussten. Er erinnert sich an das Gefühl, beinahe zu ersticken, als die Verbesserungen durch seine Körperzellen strömten. Danach war er jedes Mal schlaff vor Erschöpfung. Doch zugleich erfüllte ihn eine scharfkantige, nervöse Energie, als wären all seine Organe, seine Muskeln und sein Gewebe restlos ausgelaugt, während sein Nervensystem bis zum Anschlag aufgeladen war.
Auf dem Weg zu den Aufzügen ziehen sie dieselben Blicke auf sich wie in der Monorail. Zum Glück erwischen sie einen leeren Lift. Beckley drückt den Knopf für den dritten Stock.
»Seit wann ist das Büro meines Vaters im dritten Stock?«
»Er ist jetzt auf einer speziellen Station«, erwidert Iralene.
Also wurde sein Vater in den Klinikflügel für die Schwerkranken verlegt. Das letzte Mal hat Partridge ihn auf dem Bildschirm im Kommunikationsraum der Farm gesehen. Er wirkte geschwächt, mit seiner eingefallenen Brust und der beginnenden Lähmung. Und trotzdem – sein Vater auf der abgeschotteten Station? Willux in Quarantäne? Kaum zu glauben. »Ist er wirklich so krank?«
»In letzter Zeit geht es ihm nicht so gut – aber das ist selbstverständlich nur vorübergehend«, antwortet Iralene.
Beckley kündigt ihre Ankunft per Funk an.
Im Aufzug wird es still, bis auf das kleine Liedchen, das aus dem unsichtbaren Lautsprecher rieselt – eine computergenerierte Melodie zur Beruhigung des Zuhörers, die jedoch so künstlich klingt, dass sie sich auf Partridge eher gegenteilig auswirkt. Diese Pseudomusik regt ihn auf.
Die Tür des Lifts öffnet sich. Davor steht ein Empfangskomitee aus Technikern, die weiße Kittel, Papierschlappen, Masken, Plastikkappen und Handschuhe bereithalten.
Iralene und Beckley lassen sich brav die weißen Kittel anlegen, die
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