Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
fleischig, ganz anders als Plastik.
»Hallo, Partridge«, sagt Mimi. »Ich freue mich sehr, dich wiederzusehen. Wie schön, dass alles so einen guten Weg genommen hat!«
Als Iralene sich auf die Zehenspitzen stellt und ihm einen Kuss auf die Wange drückt, säuselt die Menge ein kollektives Ooooohhhhh , und das Geklimper verstummt endlich. Partridge spürt, wie seine Wangen brennen. Nicht weil ihm diese öffentlich zur Schau gestellte Zärtlichkeit peinlich wäre – nein, er ist wütend. Wie weit soll das alles noch gehen? Warum werden Iralene und er ständig öffentlich herumgezeigt? Iralene steckt ihm das Sträußchen ans Revers. Als er denkt, sie wäre fertig, weicht er zurück. Doch sie war noch nicht fertig, und so sticht sie sich mit der Nadel in den Finger. Auf ihrer Haut bildet sich ein Tropfen Blut.
»Tut mir leid«, sagt Partridge.
»Kein Problem!«, erwidert Iralene.
»Stell dich nicht so an!«, keift Mimi und reicht ihr eine Cocktailserviette.
Iralene schiebt die Nadel vollständig durch den Stoff. »Fertig.«
Das Pärchen dreht sich um und blickt auf die Menschenmenge. »Esst doch was! Trinkt, mischt euch unter die Leute!«, ruft Mimi. »Später wird getanzt!«
Getanzt? Das würde Partridge erst recht an Lyda erinnern. Irgendwie muss er darum herumkommen.
»Das war nicht meine Idee«, flüstert Iralene ihm zu. »Also gib mir nicht die Schuld.«
»Natürlich nicht.« Er bückt sich und fasst ihre Hand. »Wir haben doch unser Geheimnis – dass wir uns gegenseitig helfen. Stimmt doch, Iralene?«
»Ja.«
Da sieht er, dass sie einen Verlobungsring trägt. »Wo kommt der denn her?«
»Von dir. Du hast ihn mir vor dem Unfall gegeben!«
»Das kannst du nicht machen.«
»Aber du hast doch in den Plan deines Vaters eingewilligt. Deine Erinnerungen werden verschwinden, und ich werde dir neue Erinnerungen schenken. So wirst du mir helfen.«
»So stellt er sich das vor? Erst wird mein Gedächtnis bereinigt, dann wird mir die Geschichte von den Klatschseiten eingetrichtert?«
»Du kannst dir eine Wahrheit aussu…«
»Hör auf damit.«
»Es hört nicht auf, Partridge. Es ist größer als wir.«
»Weed kann dafür sorgen, dass es aufhört. Und jetzt muss ich an die frische Luft.«
»Aber wir sind doch schon draußen.«
Sie stehen tatsächlich auf der Dachterrasse, doch die Luft ist keinen Deut anders als im Apartment. Partridge bekommt Platzangst. Er lässt die Augen über die Menge schweifen – und entdeckt Arvin Weed. Arvin trägt eine rote Krawatte und klaubt gerade einen Windbeutel vom Tablett einer Kellnerin.
Partridge denkt an die vielen Monorail-Fahrten, die Weed über den Bildschirm gebeugt verbracht hat, immer am Lesen und dadurch praktisch unsichtbar. Bei ihrer letzten Begegnung, als Partridge seine Flucht geplant hat, kurz bevor Vic Wellingsly ihm den Arsch versohlen wollte, hat Arvin ihn für einen Moment angesehen, als wollte er für ihn Partei ergreifen. Doch dann hat er nichts getan. Wird er den Mut haben, ihm beizustehen, wenn es darauf ankommt? Damals wurde er auf die Probe gestellt – er hat den Kopf eingezogen und die Augen auf den Bildschirm gleiten lassen. Jetzt muss er ihm helfen. Er ist Partridges einzige Hoffnung.
»Da drüben ist ein alter Freund von mir«, bemerkt Partridge. »Ich will mal hören, wie es ihm so geht.«
»Willst du mich denn gar nicht vorstellen?«, fragt Iralene.
»Gib mir ein bisschen Zeit, okay?«
Sie nickt. »Es gibt noch Kuchen. Ich erkundige mich, ob er bald serviert wird. Wir treffen uns hier.«
»In Ordnung.« Doch der Weg durch die Menge erweist sich schwieriger als gedacht. Die Freunde seines Vaters stellen sich ihm in den Weg, schütteln ihm die Hand, klopfen ihm auf die Schulter. Sie scherzen, dass die Ehe ein Gefängnis sei, und für diese Scherze verabscheut er sie. Das Kapitol ist ein Gefängnis, würde er ihnen am liebsten sagen, auch wenn sie es niemals begreifen würden.
Am anderen Ende des Zimmers wird auch Arvin beglückwünscht. Partridge versteht einzelne Fetzen der Lobreden und sieht, wie ihm immer wieder die Hand geschüttelt und auf den Rücken gehauen wird. Was für einen Preis hat Arvin jetzt schon wieder gewonnen? Als Arvin ihn endlich entdeckt, blickt er sich nervös um, schüttet sich seinen restlichen Punsch in den Mund, entschuldigt sich bei seinen Bewunderern und geht zur Bowleschüssel, um sein Glas aufzufüllen.
»Wir brauchen frisches Blut«, sagt Holt unterdessen zu Partridge. »Gut, dass dein Vater dich
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