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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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hierhergekommen, als du in der Außenwelt warst, ein Neuzugang aus dem Medizinischen Zentrum. Ich erinnere mich an ihn, weil er anders war. Zum einen war er älter als die meisten Bewohner des Kapitols. Du weißt ja, dass die Alten nur Ressourcen vergeuden, wo sie es doch wahrscheinlich gar nicht mehr ins Neue Eden schaffen. Zum anderen …« Als Iralene die Namen genauer studiert, verlangsamen sich ihre Schritte. »… ist mir aufgefallen, dass sie den Sauerstoffschlauch nicht in seinen Mund geschoben haben. Stattdessen haben sie seine Lippen versiegelt und den Schlauch direkt in seinen Hals eingeführt.« Sie bleibt vor einer Tür stehen und deutet auf die Plakette. »Odwald Belze. Sagt dir der Name was? Belze?«
    Der Name hallt in einer abgedunkelten Ecke seines Gedächtnisses wider. Ein leises Echo der Erinnerung. Belze. Belze. Da ist irgendwas. Er legt die Hand auf die Plakette. Die Kappe auf seinem kleinen Finger klimpert auf dem Metall. Für einen Sekundenbruchteil denkt er an ein Auge – an ein kleines Glasauge. Es öffnet sich mit einem Klimpern. Es schließt sich mit einem Klimpern. Es öffnet sich wieder.
    Ein kleines Puppenauge.
    Iralene geht zum Ende des Flurs und streicht mit der Hand über eine große Stahltür, die verriegelt und verrammelt ist und von einer Alarmanlage überwacht wird. »Und dann ist da noch diese Tür. Eine schwere Sicherheitstür ohne Aufschrift. Wer weiß, was dahinterliegt?«

PRESSIA
Licht
    Fignan zählt die Kilometer, dann die Meter. Schließlich blickt Pressia einen langen, grünen Hang hinauf und sieht es: Newgrange. Der große Erdhügel wurde nicht ausgelöscht und vom Planeten gefegt. Er hat überlebt.
    »Wie lange noch?«, fragt sie.
    »Vier Minuten und siebenunddreißig Sekunden«, antwortet Fignan.
    Während Pressia rennt, so schnell sie kann, verfärbt sich der Himmel zu einem diesigen Pink. Bei jedem Schritt schmerzen die zerschrammten Schwielen, die die Dornen hinterlassen haben. Vor ihr holpert Fignans Licht über zerfurchte, efeubewachsene Erde. Kalter Wind beißt ihr in die Wangen. Ihre Lunge brennt, so hektisch atmet sie die eisige Luft ein und aus – erstaunlich klare, saubere Luft.
    Sie sprintet zum Rand des Hügelgrabs und legt eine Hand auf die riesenhaften, bemoosten Steine, tastet die sonderbaren Spiralen ab, die in die Mauern geritzt sind, und fährt mit den Fingern über den kalten Quarz, bis sie den Eingang findet. Hinter dem Efeuvorhang ist er kaum zu sehen. Felsblöcke türmen sich vor ihr auf, versperren ihr aber nicht den Weg. Pressia krallt sich in den Efeu und zerrt ihn mit aller Kraft herunter, um nicht nur den Eingang, sondern auch das Fenster in der Steinkante darüber freizulegen.
    Stück für Stück nähert sich die Sonne dem Horizont. Pressia rennt den engen, dunklen Gang entlang – etwa neunzehn Meter weit – und erreicht eine kleine, kreuzförmige Kammer mit zwei Nischen rechts und links. Sie fühlt sich wie in einer uralten Kirche, wie in der Krypta mit der Statue der Heiligen Wi, wo Bradwell zum ersten Mal gebetet hat. Sie denkt an den Jungen in der Leichenhalle, an ihren Großvater, der so viele Menschen bestattet hat, aber selbst nicht beerdigt wurde, an ihre Mutter und Sedge, die nie zur ewigen Ruhe gebettet wurden. Ihre Körper – was noch davon übrig war – haben sich mit der Erde des Waldbodens vereint.
    »Die Decke«, flüstert sie Fignan zu. Sein Licht schwenkt nach oben – und Pressia entdeckt die Öffnung, einen Kragbogen aus sorgfältig eingepassten Steinen, die eine feste, stabile Struktur ergeben. Sie wünschte, sie könnte diesen Moment mit jemandem teilen – Bradwell, El Capitán und Helmud sollten sehen, was sie sieht. Oder die Geistermädchen, deren Gesichter sie von den Wänden der Künstlerhütte aus angestarrt haben. Sie wären stolz auf sie.
    Ich bin hier , will sie ihnen sagen.
    Pressia fordert Fignan auf, den Strahler abzuschalten. »Es muss absolut dunkel sein.«
    Es wird absolut dunkel.
    Sie setzt sich und lehnt sich an die Wand. Ein Gespräch mit Bradwell hallt durch ihre Gedanken: Die Schublade, in der wir Gott aufbewahrt haben, wurde immer kleiner und kleiner … bis nur noch ein Körnchen Gott existiert hat, vielleicht nur ein Atem Gott.
    In diesem Moment ist sie sich sicher, dass mindestens ein Atom Gott überlebt hat. Es ist die einzige Erklärung – denn als die Sonne den Himmel erklimmt, als sich das Licht in das kleine Fenster über dem Eingang ergießt, durch den Gang fällt und sich

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