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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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können wir jetzt für die Menschen tun? Sie leiden, sie brauchen Hilfe! Wenn wir uns in die Vergangenheit hineinziehen lassen, lassen wir die Überlebenden im Stich.«
    »Die Vergangenheit?«, faucht Bradwell. »Die Vergangenheit ist nicht nur die Vergangenheit – sie ist die Wahrheit! Das Kapitol muss sich für seine Verbrechen an der Welt verantworten. Die Wahrheit muss ans Licht kommen.«
    »Warum? Warum müssen wir immer weiter gegen das Kapitol kämpfen?« Pressia hat die Wahrheit aufgegeben. »Was tut die Wahrheit noch zur Sache, wenn es so viel Leid und Tod gibt?«
    »Pressia«, sagt Bradwell, nun viel leiser. »Meine Eltern sind im Kampf um die Wahrheit gestorben.«
    »Meine Mutter ist auch tot. Ich muss sie loslassen.« Sie stellt sich dicht vor ihn. »Lass deine Eltern los, Bradwell.«
    Bradwell geht an der Wand mit den quadratischen Türen entlang und bleibt vor den Fächern ganz am Ende stehen. »Du solltest dir den toten Jungen anschauen.«
    »Nein, Bradwell …«
    Er packt den mittleren Griff. »Ich will, dass du ihn siehst.«
    Pressia atmet tief ein, während Bradwell am Griff zieht und die Bahre herausgleitet. Dann tritt sie neben ihn.
    Der Junge dürfte etwa fünfzehn Jahre alt geworden sein. Sein Oberkörper ist nackt, darunter wurde er in ein Laken gewickelt. Seine Haut hat die Farbe eines blauen Flecks angenommen, seine Lippen sind violett, als hätte er Brombeeren gegessen. Die Hände krallen sich um den Hals, die Finger gleichen verkrampften Klauen. Unten ragt ein Fuß aus dem Laken. Der Junge hat kurzes, dunkles Haar. Doch zuerst fällt die silberne Stange auf, die in seiner nackten Brust steckt – sie erstreckt sich von einer Seite seiner Rippen bis zur anderen. Als die Bomben fielen, war er ein kleines Kind, das gerade auf dem Dreirad saß. Rostflecken ziehen sich über die Lenkerstange, die sich um ihn krümmt wie ein zusätzliches Paar Rippen. Die Haut, die mit dem Metall verwachsen ist, wirkt dünn, beinahe durchsichtig.
    Pressia schließt die Augen und schlingt die Arme um ihren Oberkörper. »Wie ist das passiert?«
    »Das weiß keiner.« Bradwell streift das untere Ende des Lakens zurück – der Junge hat nur noch ein Bein. Das andere fehlt erst seit Kurzem. Aus dem Stumpf ragen gezackte Knochentrümmer. Pressia bleibt die Luft weg. »Das Bein ist explodiert«, erklärt Bradwell. »Dann ist er verblutet.« Er geht zu einer Ablage neben dem Waschbecken und kehrt mit einer kleinen Pappschachtel zurück. Unwillkürlich denkt Pressia, in der Schachtel befände sich ein menschliches Herz. Ein Herz, das noch schlägt.
    Bradwell öffnet den Deckel. In der Schachtel liegen verschiedene Metall- und Plastikteile. Ein Metallgelenk verbindet zwei kleinere, kaputte Stahlvorrichtungen, die jeweils etwa zweieinhalb Zentimeter lang sind. »Das Zeug wurde in der Nähe der Leiche gefunden. Ein paar Splitter haben noch im Rest seines Beins gesteckt.«
    »Aber was ist das?«
    »Wir wissen es nicht.« Bradwell schließt den Deckel und blickt auf den toten Jungen hinab. »Aber das Kapitol steckt dahinter. Die lassen uns nicht in Ruhe. Die Spezialkräfte werden sogar noch aggressiver, noch hungriger. Ich lasse niemanden im Stich, Pressia. Aber wir müssen einen Weg finden, uns zu wehren.«

LYDA
Metallwannen
    Es ist ein weitläufiger, so gut wie leerer Raum, in dem nur zwei Stühle und zwei große Stahlwannen stehen, die früher vielleicht in einer Fabrik verwendet wurden. Dämmriges Sonnenlicht fällt durch die zerschrammten Fenster und erhellt das Zimmer. Normalerweise wird nachts gebadet, doch während der letzten Stunden wurde das Gebäude abgeriegelt und verdunkelt. Das Summen der Spezialkräfte war ganz nah, und so hat man das Bad verschoben.
    Illia wurde zuerst hineingeführt, weil sie nicht vor anderen Menschen nackt sein will. Vor niemandem. Selbst ihr Gesicht zeigt sie nur ungern; wenn sie in der Wanne kauert, breitet sie ein graues Tuch darüber. Als Lyda eintreten darf, sagt Illia: »Du bist hier.«
    »Und du auch«, erwidert Lyda. Damit meint sie nicht nur, dass Illia körperlich anwesend ist, sondern auch seelisch. Die Mütter hatten Illia die Bäder ursprünglich empfohlen, da sie befürchten, dass sich die Asche der Meltlands in ihrer Lunge angesammelt und diese in einen Bakterienherd verwandelt haben könnte. Illia braucht Ruhe und sorgfältige Pflege.
    Doch vor fünf Nächten ist hier in der Wanne ein kleines Wunder geschehen. Illia, die so still und leer gewirkt hat, ist zu sich

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