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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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könnten.«
    Ist die Geschichte wahr? Spielt sie im Davor? »Wie stirbt der Mann?«, fragt Lyda.
    »Er ist tot. Und sie stirbt innerlich.«
    »Und was passiert mit dem Samen der Wahrheit?« In ihrer Sorge sagt Lyda sich, dass es nur eine Geschichte ist. Aber glaubt sie das wirklich?
    »Damit der Samen überlebt, heiratet die Frau einen Mann, der auserwählt wurde, zu überleben. Einen Mann mit Verbindungen. Das Ende naht.«
    Ein Frösteln läuft durch Lydas Körper. Illia redet über sich selbst. Der Mann mit den Verbindungen muss Ingership sein, Illias Mann, den sie umgebracht hat. Doch Lyda darf Ingerships Namen nicht erwähnen – Illia könnte sich wieder in sich zurückziehen. Wahrscheinlich erzählt sie die Geschichte auf diese Weise, weil sie der Wahrheit nicht ins Auge sehen kann. Deshalb hat das Erzählen eine heilsame Wirkung … »Erzähl mir vom Ende«, flüstert Lyda.
    »Die Sonne explodierte. Alles strahlte in allen Farben. Alles brach auf, alle Menschen und Dinge, als wäre alles voller Licht. Ein gleißendes Tor in die Dunkelheit.«
    »Aber die Hüterin hat überlebt?«
    Da blickt Illia sie mit verhüllten Augen an. »Ich bin doch hier, oder? Ich bin hier.«
    Lyda nickt. Natürlich ist sie hier. Aber wenn Illia weiß, dass sie die Hüterin ist – warum erzählt sie die Geschichte dann nicht anders? »Illia«, sagt Lyda, »warum sagst du nicht Ich habe mich verliebt ? Warum erzählst du mir nicht einfach alles? Vertraust du mir nicht?«
    »Was, wenn ich nicht bin, wofür du mich hältst? Eine kleine Hausfrau, die von Kopf bis Fuß in einen Strumpf eingenäht wurde? Eine kleine, geprügelte Hausfrau, die nichts kapiert hat, die keine Vergangenheit hat, die die Liebe nie kannte, die keine Macht besaß?« Sie hebt die feuchten, glänzenden Arme und ballt die Fäuste. »Kennst du den Unterschied zwischen diesen Narben und diesen hier? Nein. Du hast keine Ahnung von Narben.« Ihre Arme sind pockennarbig und verbrannt – am einen Arm sieht Lyda eine Reihe von Brandwunden, am anderen einige verstreute Splitter.
    Lyda nickt. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
    »Ich bin die Hüterin! Aber wo ist der Samen? Wo? Antworte mir! Wo ist der gottverdammte Samen?« Zorn verzerrt Illias Gesicht. Ihre erhobenen Fäuste zittern.
    »Ich weiß es nicht«, erwidert Lyda. »Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon du redest. Ich weiß nicht, was du meinst.« Sie klammert sich an den Wannenrand. »Sag’s mir. Sag mir, was du meinst.«
    »Jenen, die umgekommen sind, konnte ich die Wahrheit nicht überbringen. Ich musste sie bewahren«, flüstert Illia mit gequälter Stimme, wie aus weiter Ferne.
    »Wer ist umgekommen? Wen meinst du?«
    »Es waren so viele …«
    »Illia! Sag mir, was das alles zu bedeuten hat. Sag mir die Wahrheit. Es wäre besser so, für uns beide. Du musst es endlich loswerden. Du musst es mir erzählen.«
    »Und jetzt kann ich nicht sterben, ehe ich meine Pflicht erfüllt habe. Ehe ich ihn weitergegeben habe. Erst dann kann ich sterben, Lyda.« Als Illia sie ansieht, denkt Lyda: Vielleicht will sie wirklich sterben. Aber Lyda versteht das alles nicht. »Ich kann nicht sterben«, wiederholt Illia, als würde sie eine tieftraurige Wahrheit preisgeben. »Noch nicht.«
    »Du stirbst nicht, Illia. Sag mir, was mit dir geschehen ist. Bitte, sag’s mir. Und red nicht vom Sterben.«
    »Ich soll nicht vom Sterben reden? Du willst wohl, dass ich von der Liebe rede? Sie sind ein und dasselbe, Kind. Ein und dasselbe.«
    Es wird still. Lyda schließt die Augen und lässt sich tiefer in die Wanne sinken. Doch sie sieht noch immer Illias feuchte Arme vor sich – ein Arm mit Trümmersplittern, der andere mit einer sonderbar gleichmäßigen Reihe gewölbter Schwielen. Die gleichmäßigen Schwielen beunruhigen sie. Die Explosionen haben wirre Verschmelzungen und Narben hinterlassen – keine ordentlichen Reihen. Sie denkt an Ingership. Offenbar kennt sie den Unterschied zwischen den Narben doch. Die einen stammen von den Bomben. Die anderen von jahrelanger Folter. Von neun Jahren Folter.
    Lyda hört, wie Illia vor sich hin murmelt. Sie atmet so scharf ein, dass es das Tuch in ihren Mund zieht, und flüstert: »Die Wahrheit … die Wahrheit … das Leben wäre noch lebenswert mit … wo … wo ist … wo … Art … Art … Art …« Lyda kennt sich nicht mehr aus. Was für eine Wahrheit? Was für eine Art? »Ich will sterben! Ich will den Tod. Doch die Hüterin kann nicht sterben. Sie kann nicht

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