Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
nichts mehr gut.«
Sein Vater hatte Partridge jahrelang glauben gemacht, sein großer Bruder Sedge hätte sich umgebracht. Aber in Wirklichkeit hat er, Partridges Vater, seinen eigenen Erstgeborenen ermordet. Wie oft hat Partridge sich vorgestellt, wie Sedge sich den Lauf einer Pistole in den Mund schiebt? Es war alles erlogen – doch jetzt ist sein Bruder tatsächlich tot. Partridge, es ist vorbei. Du bist einer von uns. Komm nach Hause. Am meisten ekelt ihn an, wie sein Vater es gesagt hat – mit ungewohnt sanfter Stimme, als würde er Partridge wirklich lieben. Als könnte sein Vater so etwas wie Liebe begreifen! Es ist nie vorbei. Er ist keiner von ihnen. Es gibt kein Zuhause.
»Er könnte dich auch umbringen«, sagt Lyda. »Das weißt du.«
Partridge nickt. »Ja.«
Da erhebt sich ein Dust aus dem Boden, so nah, dass die Erde unter Lyda Füßen bröckelt. Sie rutscht ab.
Partridges optimierte Sehkraft zieht sich um das Wesen zusammen. Als der Dust das Maul aufreißt, stößt er sich ab und tritt ihm im Sprung gegen den steinernen Kopf. Er hört, wie der Schädel unter seinem Stiefel knackt, und lächelt.
Lyda ist wieder auf den Beinen. Sie hebt den Speer.
Aber der Dust interessiert sich nur noch für Partridge. »Komm schon«, faucht Partridge. »Komm schon!« Sein Körper brennt darauf, sich im Kampf zu bewähren. Das Herz schlägt ihm bis zum Hals. Jeder Muskel spannt sich, um im nächsten Moment auf den Gegner zuzuschnellen.
Doch von der Anhöhe auf der anderen Seite des Highways dringt Mutter Hestras Schrei herüber. Sie zieht die Aufmerksamkeit des Dusts auf sich. Als der Dust herumfährt, reißt sie einen Dartpfeil aus dem Rucksack und schleudert ihn zielgenau über die graue Betonbahn hinweg – mitten in seine Schläfe. Der Dust sackt in sich zusammen.
»Was soll das?«, schreit Partridge. »Er hatte keine Chance gegen mich!«
Lyda stellt sich vor den sterbenden Dust, dessen lebendiger Anteil allmählich im Sand vergeht, zieht den Pfeil heraus und wischt das dunkle Blut am Kleid ab. »Keine Chance? Wirklich?«
»Natürlich«, sagt er.
Sie schüttelt den Kopf, wie um ihn zurechtzuweisen. »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
Partridge atmet durch. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Klar.« Sie klopft sich den Staub aus dem Umhang und beäugt ihn mit einem Blick, den Partridge noch nie gesehen hat.
Mutter Hestra winkt sie zu sich. Als sie in Rufweite sind, fragt Lyda: »Wie weit noch!?«
»Einige Kilometer. Wir marschieren in einer geraden Linie. Und kein Wort.«
Schweigend laufen sie weiter, vielleicht stundenlang, bis sie endlich eine Reihe eingestürzter Gefängnisse erreichen. Zwei stehen noch; zumindest das Stahlgerüst und Teile der Fundamente haben überlebt, der Rest ist auch hier verfallen. Hinter den Gefängnissen erheben sich die Überreste irgendeiner Fabrik. Ein Schornstein ragt noch in den Himmel, die anderen beiden wurden gefällt wie Bäume und sind beim Aufprall zerplatzt.
Mutter Hestra bleibt an einer langen, zerklüfteten Erdschwiele stehen, einige Meter vor einem großen Blech, das mit zwei handgemachten Scharnieren im Boden verankert ist. Ihr Blick wandert über die fernen Stahlgerippe. Offenbar versteckt sich dort oben eine Mutter, eine Späherin – Mutter Hestra hebt einen Arm und wartet auf ein Zeichen. Partridge kneift die Augen zusammen, doch er sieht keine Menschenseele.
Doch irgendwie wird Mutter Hestra grünes Licht signalisiert, denn schließlich gehen sie weiter zu der Luke im Boden. »Wir sind da«, sagt sie und hievt das Blech gegen den Widerstand der Windböen nach oben.
Die Öffnung führt in einen dunklen Tunnel.
»Was ist da unten?«, fragt Lyda.
»Die U-Bahn«, antwortet Mutter Hestra. »Wir wussten, dass sie hier draußen sein muss, weil wir den Verlauf der Linie von den Vororten in die Stadt nachvollzogen hatten. Bei den Explosionen hat es die Tunnel nach oben gedrückt.« Partridge stellt sich vor, wie die strandenden Waggons tonnenweise Erde nach oben pressten, bis diese Beule im Boden entstanden war. »Als wir die Narbe in der Landschaft gesehen haben, wussten wir sofort, was es ist. Wir haben gegraben, bis wir den Zug gefunden hatten.«
Lyda späht in den steil abfallenden Gang. »Waren da unten keine Leute gefangen?«
»Die waren schon lange tot, als wir kamen. Wir haben sie ordentlich bestattet. Unsere Gute Mutter wollte ihnen diese letzte Ehre erweisen, da sie uns etwas gegeben hatten, das wir brauchten. In den Deadlands sind
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