Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
Schätze zu finden, aber oft muss man danach graben.«
Auf allen vieren krabbelt Lyda in das Loch. Partridge hat keine große Lust, ihr zu folgen. Wer nicht schon bei den Explosionen gestorben war, wurde hier unten lebendig begraben. »Ladys first?«, fragt er mit einem Blick auf Mutter Hestra.
Sie schüttelt den Kopf. »Du zuerst.«
Partridge kniet sich auf den Boden und kriecht hinein. Unter den Händen spürt er kalte, harte Erde. Als auch Mutter Hestra im Tunnel ist, knallt sie die Luke zu. Dunkelheit umfängt sie.
Doch am Ende des Tunnels taucht plötzlich ein helles Licht auf. Lydas Gesicht erscheint vor ihm, angestrahlt von einem goldenen Schimmern. »Es ist perfekt«, sagt sie – und für einen Moment glaubt Partridge, am Ende des Tunnels würde ihn seine ganze Kindheit erwarten: bunte Ostereier, ausgefallene Milchzähne, sein Vater als einfacher, fleißiger Architekt, als Funktionär im besten Alter, und seine Mutter, die gerade die Wäsche in den Trockner steckt. Ein Zuhause. Das, was ihm gestohlen wurde. Ja, es wäre perfekt. Als hätte es so etwas wie Perfektion jemals gegeben.
EL CAPITÁN
Scheiterhaufen
El Capitán trottet den Hang hinab. Dornen verhaken sich in seinen Hosenbeinen wie winzige Klauen, doch er lässt sich nicht aufhalten. Der Wind frischt auf. El Capitán steht unter Spannung. Hastings , denkt er. Vielleicht ist damit gar keine Schlacht gemeint, vielleicht ist es auch kein Gruß. Vielleicht ist es bloß der Name des Soldaten. Zuerst ist er nicht daraufgekommen, weil die Spezialkräfte in seinen Augen kaum noch menschlich genug sind, um so was wie Namen zu haben. Aber natürlich waren sie früher ganz normale Kids – sie waren sogar besser als normal. Die privilegiertesten Kids der Welt.
Oder hätte El Capitán irgendeine versteckte Bedeutung erkennen müssen? Hast – das ist nicht weiter schwierig: man muss sich beeilen. Aber tings ? Hat der Soldat Ding gemeint? Irgendetwas, das dringend erledigt werden muss? Aber was? El Capitán weiß es nicht. Er ist kein Sprachgenie. Er kennt sich mit Waffen aus, mit Motoren und Elektrizität.
»Hastings«, sagt er laut. Helmud wiederholt das Wort nicht; wahrscheinlich ist er eingeschlafen. Wenn es kalt wird, schmiegt er immer das Kinn zwischen El Capitáns Schultern, schlingt die langen, dürren Arme fest um seinen Hals und döst vor sich hin. Von Weitem könnte man El Capitán beinahe für einen normalen, einzelnen Mann halten. Er stellt sich vor, Pressia würde ihn so sehen. Wenn sie sich unterhalten, blickt sie Helmud manchmal an – aber nicht wie alle anderen ihn anblicken, nicht wie einen krankhaften Auswuchs, sondern als wäre er fast schon Teil des Gesprächs. Trotzdem, El Capitán fände es schön, wenn sie ein einziges Mal nur ihn sehen würde. Nur ihn allein.
Er fragt sich, ob Hastings noch einmal auftauchen wird, ob er ihm verwertbare Informationen liefern wird. Verdammt , denkt er, habe ich jetzt etwa einen Informanten? Einen Spitzel? Er überlegt, Bradwell und Pressia von Hastings zu erzählen, doch es gefällt ihm, etwas zu wissen, was sie nicht wissen. Er spürt einen Anflug von Macht.
Jetzt nähert er sich den Überlebenden, die den Scheiterhaufen errichten. Er sieht, dass sie Stöcke gesammelt, gespaltene Stämme hergeschleift und junge Triebe aufgeschichtet haben – und zwar so geschickt, dass das Holz rasch Feuer fangen dürfte, obwohl es grün und feucht wirkt. Ein paar Männer, die Karren ziehen, beobachten ihn aus den Augenwinkeln, lassen sich aber nicht stören.
Auf dem Boden sitzen drei Mädchen, die ein selbst gedichtetes Lied singen. Alle drei sind Posts – sie wurden im Danach geboren. Trotzdem haben sie Verformungen, wie alle Posts. Die Bomben haben die Zellen der Menschen bis hin zur Doppelhelix der DNA verwüstet. Niemand wird verschont, nicht mal die künftigen Generationen. Einem Mädchen wurde der Kopf geschoren, vielleicht weil es Läuse hatte, sodass der knorrige Knochen seines Schädels klar zu erkennen ist. An einer Seite beult er sich aus, als würde er noch etwas anderes als ein Gehirn beherbergen. Die Schulter einer anderen steht unter dem Mantel seltsam vor. Alle drei haben fleckige Haut und zusammengekniffene Augen.
Als sie El Capitán sehen, stehen sie auf und neigen den Kopf. Sie sind es gewohnt, OSR-Uniformen zu fürchten. Was kann El Capitán schon dagegen tun? Deshalb macht er sich ihre Angst zunutze. Angst kann von Vorteil sein.
»Rührt euch«, sagt er. Das Mädchen mit der
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