Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
aufschütteln.«
Partridge steigt über den Rand, hebt ein unsichtbares Kissen auf, haut ein paar Mal dagegen und reicht es ihr.
»Hier ist noch Platz«, sagt sie, während sie sich das Kissen unter den Kopf schiebt.
Er legt sich neben sie. Zu zweit starren sie in die Wolken.
Partridge rollt sich zu ihr. »Lyda.«
Sie küsst ihn. Sie will nichts hören, was er jetzt sagen könnte. Sie liegen in einer rauen Welt in einem Haus ohne Dach in einem Bett, das kein Bett mehr ist, weit weg von den Aufsichtspersonen des Kapitols und den Müttern. Sie sind allein. Niemand weiß, wo sie sind. Niemand. Vielleicht existieren sie nicht mal, Partridge und sie. Was sie jetzt machen, ist nur ausgedacht.
Sein Mund legt sich auf ihren Mund. Auf ihren Hals. Sein heißer Atem jagt ihr ein Zittern über die Haut.
Sie streift ihm die Jacke ab. Die kleinen, zierlichen Knöpfe ihrer Hemden sind im Weg. Dann sind die Hemden verschwunden. Seine Haut auf ihrer Haut – sie ist viel wärmer, als Lyda dachte. Eine solche Wärme mitten im eisigen Wind. Wie ist das möglich?
Sie kuscheln sich unter seine Jacke, ihr Körper presst sich an seinen. Es überrascht sie, wie gut sich das alles anfühlt – seine Lippen auf ihrem Ohr, ihrem Nacken, ihren Schultern. Das Blut schießt ihr in die Wangen, in den ganzen Körper. Ihr Körper, sein Körper, ist das noch ein Unterschied? Hier gibt es nur noch Haut auf Haut auf Haut, und jeder Zentimeter kribbelt, als wäre er erstmals zum Leben erwacht.
Der wächserne Film des Serums verläuft. Tun sie jetzt, was ein Ehepaar miteinander tut? Sie denkt an die Gesundheitserziehung in der Mädchenakademie: Ein glückliches Herz ist ein gesundes Herz. Von Liebe und Sex war nie die Rede, aber ein bisschen weiß Lyda – die paar wissenschaftlichen Fakten, die man den Mädchen verrät, und das, was die Mütter ihren Töchtern zuflüstern und diese untereinander weitersagen, bis so wenig übrig ist, dass man kaum noch erahnen kann, was wahr ist und was nicht.
Partridge streift seine restliche Kleidung ab. Sie auch. Sie sind nackt. Passiert das wirklich? Sie sind ganz allein, wo sie niemand sieht und beobachtet, und Lyda spürt eine Art Hunger, aber keinen richtigen Hunger. Seine Lippen auf ihren Lippen. Wie sie dieses Gefühl liebt. Sie fährt ihm durchs Haar. Schlingt die Arme um ihn, die Beine.
Doch Partridge zuckt zurück. Er wirkt überrascht, beinahe ängstlich. »Bist du dir sicher?«, fragt er.
Was meint er? Ob sie sich sicher ist, dass sie mit ihm ins Kapitol zurückkehren will? Hat sie denn eine Wahl? Natürlich hat sie eine Wahl. Sie ist nicht mehr in der Mädchenakademie. Sie befindet sich unter dem echten Himmel auf der echten Erde, und sie lebt. Vielleicht kann sie tatsächlich hierbleiben. Aber sie will den Augenblick nicht zerstören, indem sie ihm die Wahrheit sagt – dass sie nicht zurückkehren wird, wenn sie nicht muss. »Ich bin mir sicher«, antwortet sie. Später kann sie ihm immer noch erklären, was sie gemeint hat. Sie will diese kostbaren Minuten nicht vergeuden.
Und plötzlich ist er in ihr. Sie spürt einen kurzen, scharfen Schmerz, dann einen inneren Druck. Als würde sie sich erweitern. Sie schnappt nach Luft.
»Soll ich aufhören?«, fragt er.
Hat er das gemeint? Ob sie sich sicher ist, dass sie das machen sollen? Sie hat nur Gerüchte darüber gehört, Geschichten über grunzende Tiere und Ehemänner und Blut und Babys.
Sie sollte ihm sagen, dass er aufhören soll. Aber sie will nicht, dass er aufhört. Seine Haut und seine Lippen und ihre beiden Körper … wo endet sein Körper, wo beginnt ihrer? Auf einmal begreift sie es – sie sind verschmolzen. Zwei Reine, die dennoch verschmolzen sind. In diesem Moment liebt sie ihn. Alles ist warm und feucht und faszinierend neu. Sie will nicht, dass es aufhört. »Nicht aufhören«, flüstert sie.
Vielleicht ist es das letzte Mal, dass sie zusammen sind, bevor sie für immer auseinandergerissen werden. Jetzt, als ihr klar wird, dass sie nicht mit ihm gehen wird, spürt sie Trauer und Verzweiflung, aber auch eine neue Freiheit. Zugleich will sie seine Frau sein, und wenn sie es nur in diesem einen Augenblick sein kann. Und wenn dieser Augenblick alles ist, was sie je haben werden.
»Ich liebe dich«, sagt er. »Ich werde dich immer lieben.«
»Ich liebe dich auch.« Sie liebt den Klang dieser Worte.
Sie ist sich sicher, dass da unten Blut fließt. Dass das alles falsch ist. Aber sie will, dass es genau so und nicht
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