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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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anders ist. Er zittert, stößt ein leises Ächzen aus. Und drückt sie nur noch an sich.
    Lyda blickt über seine Schulter in die Höhe, auf die dahinjagenden Wolken, die Aschewehen. Sie stellt sich vor, über dem offenen Dach zu schweben, über den beiden Körpern, die sich in einem leeren Himmelbett aneinanderklammern.
    Er fehlt ihr schon jetzt. Sie spürt bereits, wie sie sich nach ihm sehnen wird. Er wird gehen. Sie wird bleiben. Was wird mit ihnen passieren, wenn sie einander nicht mehr haben?
    »Wiedersehen«, flüstert sie so leise, dass er es vielleicht nicht mal hört.

EL CAPITÁN
Sing, Sing, Sing
    Sie schlängeln sich bergauf durch die Bäume. El Capitán hört den Fluss, er kann ihn fast schon riechen. Vor ihm geht Wilda. Er hält seine Augen in Bewegung, doch Schweiß und Schmerz lassen sie verschwimmen. Der Schmerz versucht, sich mit seinem alten Schmerz zu verbünden. Maul halten! , denkt El Capitán. Manche sind so schnell zerbröselt, dass sie nur schattenhafte Flecken hinterließen. Manche haben sich in Kohle verwandelt. Nach den Explosionen hat er eine Frau entdeckt, die sich in ihrem Garten über geschmolzene Kaninchenkäfige beugte – eine Statue aus fester Kohle. Er streckte die Hand aus und berührte sie an der Schulter. Vielleicht würde sie sich umdrehen? Stattdessen brach ein Stück ihrer Schulter ab und zerbarst zu einer Aschewolke. Graue Asche an seinen Fingern. Er hatte Glück, dass er sich nicht in Kohle verwandelte. Und dass er den schwarzen Regen nicht trank, obwohl ihn der Durst fast umbrachte. Er fand einen alten Wassertank, aus dem er und Helmud trinken konnten, und so starb er Tage später nicht von innen ab. Er und Helmud waren schwach und krank, aber sie hatten Dosenmandarinen zu essen. Die hatte ihre Mutter immer in die Nachspeise mit den Äpfeln und Kokosnussflocken getan.
    Der Schmerz kriecht sein Rückgrat hinauf. Jetzt tut auch seine Brust weh. Sein Herz hämmert. Er stützt sich auf die raue Rinde eines jungen Baums. Der Schmerz erinnert ihn an ein anderes Leid – an das Leid des Verlusts. An seine Mutter. Die Plastiktüte mit den Kokosnussflocken, die zwischen den Zähnen knusprig und auf der Zunge süß waren.
    Er stöhnt.
    Helmud stöhnt.
    El Capitán tippt das Mädchen an. »Da lang.« Sie bahnen sich einen Weg durch die jungen Bäume. Der Fluss verbreitert sich. Hier ist er noch zu tief, doch ein Stück stromaufwärts kann man hindurchwaten. Sie folgen dem Ufer, bis sie die Stelle erreicht haben. »Ich muss dich tragen«, sagt El Capitán zu Wilda.
    Sie blickt zu ihm auf und hebt die Hände.
    Er hievt sie hoch. Brutaler Schmerz. Doch seltsamerweise findet er zugleich ein neues Gleichgewicht – Wilda klammert sich an seine Brust, Helmud hockt auf seinem Rücken. Der Fluss ist eisig. El Capitáns Stiefel und Hose saugen sich sofort voll. Als die Kälte über die offene Wunde unter der Roboterspinne schwappt, fragt er sich, ob das Ding vielleicht gerade an einem Kurzschluss krepiert. Ob es so einfach ist.
    Der Gedanke spornt ihn an. Schnell marschiert er ans andere Ufer, stellt Wilda ab und begutachtet seine Wade. Während das Mädchen sich in der Gegend umsieht, zieht er das blutgetränkte Hosenbein einige Zentimeter hoch, kneift die brennenden Augen zusammen, blinzelt. Kein Kurzschluss. Die Anzeige funktioniert: 1:12:04 … 1:12:03 … 1:12:02.
    Bald kommt die Dämmerung. Die Sonne scheint bereits durch die Baumwipfel.
    »Helmud«, sagt er. »Ich werde es versuchen, aber wenn ich es nicht schaffe, müssen wir das Mädchen …«
    »Nicht«, widerspricht Helmud. Ein Moment, in dem Helmud nicht nach einem Echo klingt. Er klingt, als wüsste er, dass El Capitán schlappmacht, als wollte er ihn davon abhalten. Solche Momente sind selten, aber bei Gott, El Capitán lebt dafür. Für Momente, in denen sein richtiger Bruder fast wieder da ist – der Junge, mit dem er Waffen vergraben hat, der schlaue Junge mit der schönen Stimme.
    »Okay«, erwidert El Capitán. Wenn er stirbt, stirbt auch Helmud. Das ist eine Tatsache. Am liebsten würde er Helmud sagen, was los ist, einfach um es auszusprechen, damit er die Last der Gefühle nicht allein tragen muss. Aber Helmud versteht ohnehin, was auf dem Spiel steht.
    Wenn er ehrlich ist, hätte er ohne Helmud wohl kaum so lange durchgehalten. Er hätte längst aufgegeben. Aber so hatte er immer jemanden, den er beschützen musste. Auch wenn er diese ganz eigene, krankhafte Hassliebe für ihn empfindet.
    El Capitán stößt

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